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Fakten zur Aufführung 

IL TRITTICO
(Giacomo Puccini)
9. Mai 2013
(Premiere)

Oper Köln, Oper am Dom


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Publikum

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Rundherum gelungen

Manchmal ist das Leben mehr als Mathematik. Nämlich beispielsweise dann, wenn das Gesamtkunstwerk mehr ergibt als die Summe seiner Einzelteile. Die Idee dazu stammt noch vom zukünftigen Wiesbadener Intendanten Uwe Laufenberg: Drei Frauen inszenieren drei Einakter, die an einem Abend als Il Trittico gezeigt werden. Das Ganze in einem Bühnenbild, das Dieter Richter so einrichten musste, dass es nicht nur den schwierigen akustischen Verhältnissen des Spielortes, sondern auch gleich drei Einaktern gerecht wird. Es ist nicht Richters erster Geniestreich, aber hoffentlich auch nicht sein letzter. Er teilt die Bühne in drei Ebenen mit wechselnder Bedeutung, ohne dass die Grundelemente sich ändern. Darauf muss man erst mal kommen.

Sabine Hartmannshenn wagt sich an den Auftakt mit Il Tabarro/Der Mantel. Sie erzählt die Geschichte von einer Giorgetta, die sich auf einem Lastkahn nach dem Leben in Paris sehnt und ein Verhältnis mit dem Arbeiter Luigi pflegt, an dem ihr Mann Michele schier verzweifelt. Das bebildert sie „hafentypischem“ Personal wie Arbeitern und Prostituierten, die Susana Mendoza mit rollengerechten, bunten Kostümen ausstattet. Giorgetta trägt unter ihrem Kittel ein luftiges Frühlingskleid, das die Sehnsucht nach der Metropole unterstreicht. Richter unterteilt die Bühne hier in einen mit Gerümpel vollgestellten Laderaum, darüber liegend die Fläche, die sich linker Hand in so etwas wie eine Hafenspelunke, daneben ein Straßenbereich und das Deck des Kahns aufteilt, an den sich rechter Hand der Wohnbereich des Schiffs anschließt. Das ist alles in sich so schlüssig wie die Handlung. Bis zu dem Moment, in dem Giorgetta im Laderaum nicht näher erkennbare Dokumente zerstört und anschließend ihren Liebhaber ermordet. Warum Hartmannshenn hier von der ursprünglichen Handlung abweicht, erschließt sich vielleicht deshalb nicht, weil man nicht genau versteht, was da im Laderaum passiert.

Auch der Zugang zu Suor Angelica erschließt sich nicht so ohne Weiteres. Eva-Maria Höckmayr geht in ihrer Inszenierung nicht davon aus, dass Schwester Angelika in das Kloster verbannt ist, um für die Schande des unehelich geborenen Sohnes zu büßen, sondern dass ihre Familie sie mehr und mehr ausgrenzt, bis sie sich in Psychosen und Wahnbilder flüchtet. Wenn man diesen Ansatz kennt, versteht man auch, warum die Bühne sich eben nicht in ein typisches Kloster verwandelt, sondern eher so etwas wie eine Villa darstellt. In deren Hintergrund gibt es hinter einer Glaswand Wohnräume wie eine Küche. Im Vordergrund ein Vielzweckraum, darunter liegend die Hölle. Eine dritte Ebene als erste Etage bietet Raum für Chor und „Alltag“ im Kloster. Julia Rösler wählt für die Kostüme – und Haarfarben – Farbsymbolik: Rot steht für die Gefallenen und Unglücklichen, schwarz für die, die sich im Recht glauben. Andere Farben kennzeichnen die Außenstehenden. Das funktioniert nur bedingt, ist aber auch nachrangig, weil Darstellung und Gesang der Protagonisten die Bühne überstrahlt.

Ebenso deutlich bleiben die handelnden Personen in Gianni Schicchi im Vordergrund. Die erste Etage wird zur Dachterrasse, das Erdgeschoss zur Wohnebene einer Stadtvilla, unter der ein Keller zum Nebenspielort wird. Gabriele Rech eröffnet mit einer Tischszene à la Madame Tussaud so überzeugend, dass ihr Szenenapplaus zuteilwird. Eine großartige Personenführung, die mit Detailverliebtheit glänzt, den Protagonisten ein Höchstmaß an Leistung abverlangt und immer wieder das Komische der opera buffa hervorstreicht, ohne sich im Slapstick zu verlieren. Sandra Meurer kleidet das Ensemble in passende, teils ins Poppige reichende Kostüme. Für das rechte Licht in allen drei Stücken sorgt Nicol Hungsberg. Unaufdringlich unterstreicht er die Handlung und sorgt mit starken Effekten für die richtige Wirkung vor allem in den ersten beiden Stücken, wobei es in Gianni Schicchi auch eher auf die rechte Ausleuchtung ankommt, die adäquat gelingt.

Gibt es in allen drei Inszenierungen die eine oder andere Schwäche, die zu kritisieren überkandidelt wäre, begeistern die Akteure ohne Ausfälle. Asmik Grigorian, die im Kölner Wozzeck Aufsehen erregt hatte, tritt endlich wieder in Köln auf. Sie spielt und singt eine wunderbare Giorgetta, wird dabei von Scott Hendricks als Michele und Héctor Sandoval als Luigi aufs Vortreffliche unterstützt. John Heuzenroeder, der in Köln immer wieder in den Nebenrollen brilliert, darf hier sowohl im Tabarro als auch in Gianni Schicchi mehr zeigen und beweist einmal mehr, dass er sich zu oft unter Wert verkauft. Ein Höhepunkt des Abends ist Dalia Schaechter, die sich in allen drei Stücken als höchst wandelbar und immer in Höchstform präsentiert. Die Kammersängerin gibt im Tabarro die verrückte Sammlerin, in Suor Angelica die dünkelhafte Tante und in Gianni Schicchi Zita, die liebestolle Alte. Das ist schlicht großartig. Amerikanische Sängerinnen werden in Deutschland gerne unterschätzt. Jacquelyn Wagner ist so etwas wie ein shooting star. Als Suor Angelica überzeugt sie auf ganzer Linie. Nach diesem Abend ist es kein Kunststück zu behaupten, dass wir von dieser Sängerin noch viel hören werden. In Gianni Schicchi ist es wiederum Scott Hendricks, der als Titelheld das Publikum begeistert. Ulrich Hielscher als Simone und Bodo Schwanbeck als Dottor Spinelloccio sollen aus der glänzenden Besetzung von Gianni Schicchi ebenso hervorgehoben werden wie Jeongki Cho, der als Neffe Rinuccio eine rundherum gelungene Tenorpartie gibt.

Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass Andrew Ollivant den Chor auf den Punkt präpariert hat.

Ein Berserker im positivsten Sinne ist Will Humburg, der als Musikalischer Leiter das Gürzenich Orchester zu brillanter Musik veranlasst. Gelingen die Glockenklänge zu Beginn noch etwas unrein, bringt Humburg mit übergroßer Geste und massivem Körpereinsatz nicht nur die Musiker zu akzentuierter Leistung. Er hat auch stets die Sängerinnen und Sänger im Blick, ohne sie zu überdecken. Konkrete Kommandos mit erhobenem Zeigefinger geben allen Beteiligten ein sicheres Gefühl. Ob Proben mit Humburg Spaß machen, mag dahingestellt sein. Das Ergebnis stimmt.

Es ist, wie der Volksmund sagt, nicht alles Gold, was glänzt. An diesem Abend glänzt aber zumindest alles. Bravo-Rufe übertönen entblödet wirkende Buh-Rufe. Überragender Applaus für alle Beteiligten zeigt, dass ein Opernabend auch ohne Provokation ein herausragender Erfolg sein kann. Da mag man sich friedlich wie Kater Garfield nach einer Doppelportion Lasagne in die Kissen sinken lassen.

Michael S. Zerban







Fotos: Bernd Uhlig