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Fakten zur Aufführung 

TANJA - LIVE IN MOVEMENT
(Sophie Hyde/Bryan Mason)
31. Oktober 2013
(Premiere)

Kinofilm


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Eine schöne Blume ist sie geworden

Es ist eine dieser seltenen Gelegenheiten, in denen man Tanz im Kino sehen kann: Keine Live-Übertragung einer Vorstellung aus dem Bolshoi, sondern einen Dokumentarfilm über, mit und aus der Welt des Tanzes. Kein großes Popkorn-Kino, kein „feel-good“-Film, nein: Die Entstehung von Tanja – Life in Movement hat eine unheimliche und traurige Begebenheit zum Anlass. Eine junge Frau stirbt 2007 nach einem morgendlichen Unfall mit einem Müllwagen. Ein auf den ersten Blick sinnloser Tod führt alle Angehörigen und Arbeitskollegen der jungen Frau vor die Kameralinse. Denn der Mensch, der den Tod fand, war eine junge, talentierte und aufstrebende Tänzerin und Choreographin: Tanja Liedtke.

Geboren 1977 in Stuttgart, mit Zwischenstationen in Spanien und England, beginnt Tanja Liedtke ihre Tanzausbildung. Als sie mit zarten drei Jahren gefragt wird, was sie später einmal werden möchte, antwortet sie: „Eine Blume“. Die Erwachsenen äußern Zweifel an diesem Vorhaben. Doch das Nachbarskind tanzt in einer Ballettaufführung den Blumenwalzer und Tanja Liedtke ist überzeugt: „Ich kann doch eine Blume werden!“. Sie tanzt mit der Kompanie DV8 physical theatre und erarbeitet erste eigene kleine Choreographien mit ihren Freunden und Mittänzern. Nach zahlreichen Erfolgen und Auszeichnungen fordert sie ihr Glück heraus und bewirbt sich als Leiterin des größten australischen Modern-Dance-Ensembles, der Sydney Dance Company. Eine hoch angesehene Position, die einen charismatischen Kopf verlangt. Es tritt ein, was niemand erwartet: Tanja Liedtke setzt sich von den knapp 54 Bewerbern ab und erhält die Stelle – mit nur 29 Jahren.

Dem hohen Erwartungsdruck ausgesetzt und von Selbstzweifeln geplagt, treibt es sie 2007, mitten in der Nacht, noch einmal aus dem Bett in die Straßen von Sidney. An diesem Morgen kehrt sie nicht mehr heim zu ihrem Lebenspartner, der auch ihr Arbeitspartner ist. Es muss eine starke Symbiose zwischen Solon Ulbrich und Tanja Liedtke gewesen sein: Nach ihrem Tod übernimmt er das künstlerische Erbe und führt mit der Kompanie eine Welttournee durch, in der das erste und einzige abendfüllende Stück der jungen Choreographin zu sehen ist. Tänzer, Partner, die Eltern und Geschwister, sie alle kommen zu Wort in diesem Film und belegen, dass hier eine junge und energiegeladene Künstlerin, die noch viel zu sagen gehabt hätte, zu früh sterben musste.

Der Dokumentarfilm arbeitet mit dezenten, aber modernen Mitteln, wobei die Balance sehr gut gehalten wird: Man drückt nicht auf die Tränendrüse; die Schnitte sind zügig. Die Montage vereint Interviewszenen mit atmosphärischen Bildern Sydneys, Tanzszenen aus verschiedenen Bühnenstücken und Videoaufnahmen aus Probenprozessen, sowie Videos aus Tanjas Jugend im Internat. So kommt auch die Verstorbene zu Wort, und der Film bleibt nicht bei den Mitleidsbekundungen der Angehörigen hängen.

Die Spieldauer ist mit 79 Minuten kurz gehalten, wobei der Film seine Längen hat, wenn man nicht restlos tanzbegeistert ist. Die englische Sprache hingegen ist so unvermittelt, emotional und direkt, dass man regelrecht dankbar ist, dass der Film – wahrscheinlich aus Kostengründen – nicht deutsch synchronisiert wurde. Viele Emotionen wären bei der Übersetzung verloren gegangen.

Tanja – Life in Movement ist ein stiller Film, der die großen Kinosäle nicht füllen wird. Aber er lässt einen teilhaben an einer ebenso schönen wie traurigen Lebensgeschichte. Auch wenn das Leben der Protagonistin nicht lang war, so war es doch intensiv und ernsthaft. Jeder Zuschauer kann sich auf der Leinwand wiederfinden, auch ohne tänzerische Neigung.

Jasmina Schebesta