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Fakten zur Aufführung 

IL RITORNO D'ULISSE IN PATRIA
(Claudio Monteverdi)
25. Februar 2012
(Premiere)

Oper Köln, Palladium


Points of Honor                      

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Meisterstück in falscher Umgebung

Scheinbar lässig hockt er auf seinem Stuhl, wirft den Kopf noch einmal zurück, um die Künstlerfrisur in Ordnung zu bringen. Dann erhebt er sich und beginnt ruhig und konzentriert sein Dirigat, feinfühlig, aufmerksam, aber eigentlich wissend, dass die Arbeit längst getan ist. Er hat das Werk neu eingerichtet, von Rezitativen befreit, um rein instrumentale Zwischenmusiken erweitert – und einmal mehr hat Konrad Junghänel ein Meisterwerk abgeliefert, das er jetzt mit spürbarer Freude präsentiert. Er mag keine „Tarifmusiker“, aber er liebt es, wenn sich ein Orchester engagiert und das Ziel mit ihm erreicht. Dann ist er seinen Musikern unendlich dankbar. Nach dieser Aufführung möchte er am liebsten jedem einzelnen Musiker vom Gürzenich-Orchester und Gästen die Hand schütteln.

Dabei ist längst nicht alles glatt gelaufen. Schon der Anfang unglücklich: Da werden die Zuschauer hinter dem eigentlichen Saal vor einer kleinen Schaubühne stehend zusammengepfercht, um zehn Minuten lang dem Prolog über die Zerbrechlichkeit des Lebens zu lauschen. Was zu erwarten war, geschieht: Das Publikum ist irritiert, manchem schmerzt die Wirbelsäule, und missmutig macht man sich anschließend auf die Suche nach seinem Sitzplatz, den viele noch nicht gefunden haben, als die Musik einsetzt. Zudem erreicht die Musik in der relativ kleinen Besetzung die oberen Reihen nur noch dünn. Es dauert eine ganze Weile, bis die Zuschauerinnen und Zuschauer die nötige Konzentration gefunden haben. Währenddessen sind die zahllosen Regieeinfälle Bernd Mottls schon in vollem Gange. Auf einer Drehbühne teilt die Hausfassade eines typisch amerikanischen Reihenhauses mit Hecke das Geschehen in die Ereignisse außerhalb und innerhalb des Anwesens der Penelope. Vorne Wiese, hinten wechselnde Einrichtungen des Hauses. Dahinter Auf- und Abgänge, über denen zumindest noch in der ersten Szene „Itaca“ steht. Gleich danach verabschiedet sich das „c“, was schade ist, aber offenbar auch in der Pause nicht korrigiert werden kann. Die Lichteffekte, die Andreas Grüter inszeniert,  sind oft überraschend, nie aber aufdringlich oder exaltiert. Zusätzlich wird von Friedrich Eggert, der für Bühne und Kostüme zuständig ist, eine Art Luftschiff in Form eines Baumstamms mit Eulenkopfaufdruck von Zeit zu Zeit über die Bühne geschickt. Mit seinen Kostümen irritiert Eggert das Publikum: Die Menschenwelt tritt im Stil der amerikanischen 1950-er Jahre auf, die Götterwelt trägt Latexteile im Comic-Look, Odysseus muss sich im Kampfanzug der Bundeswehr – oder der Army – präsentieren. Während der überwiegende Teil des Publikums bedauert, dass der trash nicht konsequent genug ist, verlässt der andere Teil in der Pause das Palladium fluchtartig. Dabei ist alles ganz harmlos, so wie es in den golden fifties in Amerika halt war: Die Prüderie siegt, aber ziemlich bunt und poppig. Da gibt es zu Monteverdis Musik auch schon mal swingende Tanzschritte. Einverstanden, den Einfall mit der Maschinenpistole und die Blutflecken an der Tapete nach der Exekution hätte man noch mal überdenken können, aber die finden auch erst nach der Pause statt. Warum nun der Bezug zu Amerika hergestellt werden muss, erschließt sich nicht, schmerzt aber auch nicht.

Im Vordergrund stehen ohnehin die musikalischen Leistungen. Die Inszenierung folgt der zu Monteverdis Zeiten üblichen Formel: Wenig Geld fürs Orchester, viel fürs Sängerpersonal. Bei letzterem wird nicht gespart, und so gibt es nicht nur eine Fülle von Personal, sondern auch eine Menge Qualität. Mezzosopranistin Katrin Wundsam überzeugt als Penelope mit jeder Zeile, die sie singt, Mirko Roschkowski begeistert als lyrischer Tenor in Feinheit und Nuancen seiner Stimme, beeindruckt auch als Schauspieler. Hervorzuheben ist Countertenor Dmitry Egorow mit gemeißeltem Klang; John Heuzenroeder stellt mal wieder sein Licht unter den Scheffel, um mit Spielwitz und formvollendeter variabler Tenorstimme sein Kölner Publikum zu begeistern. Wenn der mal seine Koffer packt, gebührt ihm kontrapunktisch ein Platz neben der Skulptur „Willy Millowitsch auf der Bank“. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen: Hier wird dem Publikum ausnahmslos vom Feinsten geboten. Wenn auch nicht ohne Wermutstropfen. Wäre es Radio, würde man lauter stellen wollen. Für solche Feinarbeiten ist das Palladium vielleicht nicht der rechte Ort.

Ach ja – und Junghänel? Der wird begeistert gefeiert. Nach dreieinhalb Stunden ist das Publikum redlich erschöpft; viele nehmen sich nicht mehr die Zeit für den Applaus, vergessen also, den Künstlern für ihre Arbeit zu danken. Die anderen nutzen alle Möglichkeiten vom Füßestampfen über Bravo-Rufe bis zu stehenden Ovationen. Für das Orchester, die Sängerinnen und Sänger, den Dirigenten und letztlich auch für die Regie. Kann also nicht so schlimm gewesen sein mit dem trash.

An der Botschaft Betet, so wird Euch geholfen kann es im bis heute erzkatholischen Köln ebenfalls nicht gelegen haben. Vielleicht müssen die Menschen, die die Aufführung vorzeitig verlassen haben, sie einfach noch mal besuchen, um sie zu verstehen. Zu wünschen wäre es ihnen.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Paul Leclaire