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Fakten zur Aufführung 

RIGOLETTO
(Giuseppe Verdi)
15. März 2012
(Premiere)

Oper Köln


Points of Honor                      

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Zum Narren gehalten

Der Vorhang geht auf, und man sieht die feiernde Festgemeinde, vor der ein Satyr wild mit einer Tänzerin kopuliert und gleich darauf einen Riesen-Phallos auf die Bühne rollt. Eine Idee, die regelmäßigen Besuchern dieser Spielzeit der Kölner Oper bekannt sein dürfte. Erst in der Inszenierung der Ariadne auf Naxos wurden Faune und Satyrn mit überdimensionalen Phalloi eingesetzt. Trotz des weitere Extravaganzen versprechenden Starts nehmen die Ideen im Laufe des Abends ab. Die Oper gerät immer konventioneller. Die Entführung Gildas ist eine klassische Leiter-Entführung, die Verführungsszenen sind bis auf Grapscher nur angedeutet, der Tenor vollführt dramatisch-klischeehafte Gesten und der Chor trägt Tiermasken. Warum? Darauf gibt es keine Antwort. Die Inszenierung von Katharina Thalbach wirkt leider zusammengestückelt und willkürlich, die Erwartungen an eine erfrischende Inszenierung werden zu großen Teilen enttäuscht. Das einzige, was echt wirkt, ist der Schmerz des Rigoletto. Markus Brück spielt den Narren mit dem verkrüppelten Arm bewegend authentisch und schwankt zwischen Vaterfigur und seinem Beruf als Spotthure des Herzogs. Obwohl man sich oft eine textnahere und alltagstauglichere Umsetzung wünscht, ist hier das Gegenteil der Fall. Zusätzlich irritieren die zwei Pausen, die sich bei einer Spiellänge von rund zwei Stunden überflüssig anfühlen.

Das Bühnenbild und die Kostüme gestaltet der italienische Künstler Ezio Toffolutti. Gemalte Architektur in Grautönen, die mal auf der Seite liegt und mal auf dem Kopf steht, ziert den Vorhang und den Innenraum des Palastes. Auf dem Kopf stehende Säulen sollen möglicherweise die dekadente und aus den Fugen geratene und missratene Gesellschaft des Hofes darstellen. In einer Häuserfassade öffnet sich durch faltbare Wände ein kleines, mädchenhaftes Schlafzimmer. Die Naivität der Rolle Gildas spiegelt sich in diesem Lebensraum wider. Leider wird durch diesen eingeschränkten Raum der Klang der Sänger trocken. Im dritten Akt wird die Bühne dann durch das kompakte Gasthaus plastischer. Unterhalb des Gebäudes ist der Fluss angedeutet, auf dem der Herzog mit einem Boot zum Gasthaus gelangt und in dem Gilda ihren Atem aushaucht. Nebelschwaden und vom Wind verwehte Blätter machen die Szenerie unwirklich, leider verfliegt dieser Effekt recht schnell und man wird quasi auf den Bühnenboden der Tatsachen zurückgeholt. Die Kostüme sind zur Inszenierung passend recht konventionell mit einzelnen Highlights, wie die Corsagen und kurzen Reifröcke der Tänzerinnen und das Satyrkostüm. Der Narr trägt als Arbeitskleidung einen Trichter auf dem Kopf, den er nach Feierabend mit einer Melone tauscht. Gilda trägt ein weites, weißes Nachthemd, was wiederum das Mädchenhafte unterstreicht. Auf ihm zeichnen sich dann auffällig die Blutflecken der Vergewaltigung durch den Herzog ab.

Die Choreographie von Nadine Schori im 1. Akt kommentiert die Possen des Narrs oder verspottet ihn, indem die Tänzer die verkrüppelte Hand nachäffen. Der Tanz ist ein Potpourri aus Irish-Dance, Can Can, klassischen Balletelementen und modernen Schritten. Trotz der liebreizenden Agilität der Tänzerinnen und der Lach-Effekte eines die Beine schwingenden tanzenden Satyrs wirken die Tanzkommentare gewollt, da diese Idee auch nicht weiter verfolgt wird. Das Licht, installiert von Andreas Grüter, ist effektvoll eingesetzt. Beispielsweise wird in der Wiederbegegnung mit Monterone dessen Schatten übergroß an die Wand projiziert.

Musikalisch gefällt der Abend dafür umso mehr. Das Gürzenich-Orchester spielt unter dem Dirigat von Alain Altinoglu mit einer großen Bandbreite an dynamischer Varianz und beeindruckt mit feinen Akzentuierungen im Ausdruck besonders in den leisen Passagen, in den schwungvollen Kantilenen und den wuchtigen Ausbrüchen Verdischen Schaffens. Auffällig ist zwischendurch eine Misskommunikation über das richtige Tempo zwischen Dirigent und Sängern. Dies betrifft aber nicht die Chorszenen des Männerchors unter der Leitung von Andrew Ollivant, denn die geraten allesamt organisch und beschwingt.

Die Gesangsbesetzung ist fast perfekt und rettet den Abend mit herausragenden Höhepunkten und konstanter Leistung. Mit Abstand der Charakterstärkste und gesanglich wunderbar ist Markus Brück, dessen Stimme ein Repertoire von Wucht, Glanz, Weichheit und Gefühl umfasst. Er spielt den vom Fluch verfolgten Narren mit Intensität und authentischen Emotionen. Dmitry Korchak als schneidiger Herzog von Mantua singt mit gleichbleibendem Strahlen und sehr gutem Durchhaltevermögen. Etwas weniger theatralische Gesten hätten dem sonst überzeugenden Spiel als Womanizer aber gut getan. Gilda wird vom Ensemblemitglied Anna Palimina gesungen. Trotz bemerkenswerter Technik, vor allem in den Koloraturen, gerät das Vibrato passagenweise etwas flatterhaft und die Höhe klingt forcierter. Das Publikum ist aber angetan und reagiert mit viel Szenenapplaus. Herausragend ist weiterhin Bjarni Thor Kristinsson mit wuchtigem und breitem Bass als Sparafucile. Des Weiteren ebenfalls mit guter Leistung Nino Surguladze als verführerische Maddalena, Oliver Zwarg als rachsüchtiger und ausdrucksvoller Graf von Monterone, Julian Schulzki als Graf von Ceprano und Rachel Bate als Gräfin.

Die Reaktionen des Publikums spiegeln den allgemeinen Eindruck wider: Die Hauptpartien, darunter besonders Markus Brück und das Gürzenich-Orchester werden frenetisch gefeiert, aber unter den Applaus für das Regie-Team mischen sich nicht wenige Buh-Rufe.

Miriam Rosenbohm