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Fakten zur Aufführung 

RECYCLING MEDEA
(Asteris Kutulas/Mikis Theodorakis/ Renato Zanella)
23. Februar 2014
(Premiere am 18. Januar 2014)

Kinofilm


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Griechisch-pathetischer Eintopf

Die antike griechische Tragödie um Medea und der Mord an ihren Kindern sowie ihrer Rivalin erzählt der Regisseur Asteris Kutulas mit aktuellen Bildern neu. Er vereint eine Bühneninszenierung des italienischen Choreographen Renato Zanella mit Bildern der Aufstände in Griechenland aus der Neuzeit. Alle Bilder werden dominiert von der tragisch-bombastischen Musik aus der Feder des Komponisten Mikis Theodorakis. Die Einspielung stammt vom St. Petersburg State Academic Capella Orchestra & Choir und setzt nur für kurze Momente aus, in denen Theodorakis selbst sowie der Choreograph Zanella Statements zu ihrem Schaffen in die Kamera sprechen. Neben der Bühnenabfilmung, den Straßenszenen und der Interviewsituation gibt es einen vierten Bildraum, in dem ein 14 Jahre junges Mädchen mit offensichtlich hohem Östrogenspiegel reglos in die Kamera blickt, an einem See sitzt oder sich die Nägel lackiert; sie soll laut der zur Hilfe kommenden Bildunterschrift die Unschuld versinnbildlichen. Aus dem Off werden einzelne Zitate aus dem Tagebuch der Anne Frank eingesprochen. Als zusätzliches Erzählmoment werden zum einen Texte in die Sequenzen eingebaut, die die bereits zu sehende Handlung der Medea-Tragödie wiederholen; zum anderen werden die Sequenzen immer wieder durch Texttafeln unterbrochen. Dieses Element erinnert zum einen an die Stummfilmzeiten, in denen es ein probates Mittel war, den noch tonlosen Darstellern mit Detailinfos zur Hilfe zu kommen. Bei Recycling Medea zeigt man jedoch reißerische Textüberschriften, die gängigen Revolverblättern nachempfunden sind.

Was Kutulas mit dem Film erzielen wollte, ist: ein sehr emotionaler „Musik-Videoclip“, eine Hommage an meinen Pessimismus, ein Film-Gedicht, das die Sehnsucht nach „Freiheit” und „Liebe” einer verzweifelten Ehefrau und die Sehnsucht nach „Freiheit“ und “Liebe“ radikal gewordener Jugendlicher thematisiert.

Wenn man Recycling Medea als solches Film-Gedicht annehmen kann, dann ist man als Zuschauer gut beraten. Danach könnte man aber das Bedürfnis verspüren, nach der Sekundärliteratur zu suchen. Denn was bei diesem Film alles an Zutaten in einen Topf geworfen wurde, kann zu Magenverstimmungen führen: Die politischen Geschehnisse in Griechenland mit der Medea-Tragödie gleichzusetzen ist möglich. Doch ist der Film in diesem Bezug viel zu bedeutungsschwanger und schwammig und führt die tatsächlichen Parallelen nicht ausreichend aus. Die Tänzerin Maria Kousouni verkörpert sehr eindrücklich und mit großer Körperspannung die Medea. Es ist schade, dass man ihre so klare Körpersprache durch die Texteinblendungen der Mündigkeit beraubt. Die Medea-Oper von Theodorakis ist gewaltig und passt stellenweise sehr gut zum Gezeigten, gerade in den Überblendungen von Tanz und Straßenschlacht bietet die Musik die einende Brücke. Aber die Tagebucheinträge der Anne Frank in diesem Zusammenhang einzubringen, ist gewagt und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack; schließlich ist es von fehlenden Perspektiven einer jungen Generation zum Terror des NS-Regimes noch ein sehr großer Schritt. Große Schritte sind es durchweg, die in Recycling Medea gegangen werden. Diese erschließen sich im ersten Schritt leider nur Eingeweihten, Teilhabern oder Pessimisten.

Jasmina Schebesta