Interkulturelle Nähe
Es geht um Liebe zu Zeiten kriegerischer Zeiten – geschrieben 1688, Thema ist das Ende der Tang-Dynastie um 700. An vier Abenden – mit zehn Stunden Musik, mit Schauspiel, Tanz, Kampfszenen, Malerei, Choreografie und Gesang – entfaltet sich ein Epos chinesischer Mythen: Der Kaiser verliebt sich, der Lady Yang schwört er ewige Treue – vergisst darüber seine Aufgabe als Bewahrer der feudalen Strukturen, wird durch eine Rebellion aus seinem Palast vertrieben, akzeptiert den geforderten Selbstmord seiner Geliebten – trauert auch nach Beseitigung des Rebellen seiner Liebe nach. Lady Yang wird als „Unsterbliche“ in die „Himmel“ aufgenommen – der Kaiser folgt ihr, sie erleben das Glück ewiger Liebe in sphärischen Räumen.
In der Kun-Oper kommen menschliche Sehnsüchte, historisch-politische Konflikte und spirituelle Transzendenz zusammen.
Die komplexe Geschichte wird intensiv erzählt, fasziniert durch den Wechsel individueller Gefühle, machtpolitischer Gewalt und „religiöser“ Überhöhung. Erstaunlich, dass am letzten Abend vor dem ergreifenden Finale stundenlang stillstehende Redundanz herrscht und tödliche Langeweile herrscht!
Die Shanghai Kun-Opera Company brilliert mit Musik, Gesang und Bühne, präsentiert ein hinreißend agierendes und intonierendes Ensemble:
Allein die Lady Yang wird von vier verschiedenen Darstellerinnen verkörpert, der Kaiser in seinen so unterschiedlichen Situationen von drei Künstlern: Deutlich wird, dass die Zuordnung von Gesten und Tönen so diffizil ist, dass winzige Differenzen die Rollenporträts charakterisieren.
Phantastisch die Bewegungsabläufe der (relativ kleinen) Chöre – mit blitzschnellen Trippelschritten unter bodenlangen Kostümen entsteht der Eindruck agilen Schwebens. Und die Kriegsszenen beweisen die außerordentliche Kompetenz des Ensembles in Sachen altchinesischer Kampftechnik.
Und die Musik-Instrumente – Flöten, Zupf-Instrumente, Gongs, Klanghölzer, Perkussion – vermitteln Emotionalität in hoch differenzierter Modulation.
Das Publikum im gastgebenden Opernhaus variiert von Abend zu Abend: Einige – viel zu wenige! – neugierige Opern-Freaks; viele, ganz viele Chinesen, die ihr historisches kulturelles Erbe ausgerechnet in Köln kennenlernen; Studenten und Schüler, die auf dem China-Trip sind, und sich - offenbar unvorbereitet - ziemlich unkontrolliert verhalten.
Am letzten Abend versammelt sich ein aufnahmebereites Publikum, das zum Finale enthusiasmiert reagiert.
Franz R. Stuke
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