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Fakten zur Aufführung 

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
(Richard Wagner)
29. April 2012
(Premiere am 20. September 2009)

Oper Köln


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Plädoyer für die Kölner Kunst

Es hat schon einen Hauch von Ironie. Mit den Meistersingern hat Uwe Eric Laufenberg 2009 seine Antrittsinszenierung in Köln vorgestellt, die Wiederaufnahme dieses Jahr steht im Schatten seines Rücktritts zum Ende der kommenden Spielzeit. Laufenberg sitzt an diesem Abend im Publikum, geht am Ende der Vorstellung auf die Bühne – und wird demonstrativ vom Publikum bejubelt. Jeder merkt, dass hier nicht nur seine Regiearbeit Begeisterung auslöst, sondern eine große Sympathiebekundung stattfindet. Aber noch mehr demonstriert die Kölner Oper mit den Meistersingern, nämlich dass unter Laufenberg hier eine hervorragende Arbeit geleistet wird. Allein die exquisite Sängerauswahl beschert einen denkwürdigen Abend, der schon nach jedem Akt, am Ende aber frenetisch gefeiert wird. Hörenswert ist, wie das Hausensemble sich mit namhaften Gästen mischt. Young Doo Park aus dem Opernstudio lässt als Nachtwächter eine bemerkenswerte Stimme hören. Martin Koch absolviert als sympathischer David seine große Szene im ersten Akt mit sicherer, farbenreicher Stimme und braucht sich nicht hinter seinem Tenorpartner zu verstecken, auch wenn dieser Johan Botha heißt. Der geizt als Ritter Stolzing keinen Moment mit seinem strahlenden Tenor und büßt bis zum Schluss nichts an Wohlklang und Charme in seinem Vortrag ein. Kein Wunder, dass sich Eva in diesen Ritter verliebt, und Barbara Havemann ist stimmlich wie optisch eine attraktive Erscheinung, wenngleich sie rhythmisch zuweilen etwas neben dem Orchester singt. Aus der Premierenserie noch stammen Dalia Schaechter als stimmlich reife Magdalene und Bjarni Thor Kristinsson als Pogner. Letzterer führt mit großer Autorität das engagierte Meisterensemble an, aus dem auch der Fritz Kothner von Oliver Zwarg hervorragt. Wie erwartet, wird das Aufeinandertreffen der Meister Beckmesser und Hans Sachs zu einem Höhepunkt des Abends. Allein mit seiner eleganten Erscheinung rückt Adrian Eröd den Beckmesser weit weg von einer albernen Karikatur. Die konsternierten Blicke, die gereizten Grimassen, die arrogante Mimik sind ernst und komisch gleichermaßen. Sein pointierter Gesang, sein heller Bariton, dem es zuweilen etwas an Durchschlagskraft mangelt, bleiben der Figur keine Facette schuldig. Es sind große Theatermomente, die er sich mit Michael Volle auf der Bühne liefert. Volle debütierte erst dieses Jahr in der Rolle des Sachs und hat sich schon jetzt in die erste Reihe der führenden Interpreten vorgearbeitet. Vorbildlich gesungen und eindrücklich gestaltet sind nicht nur seine beiden Monologe mustergültiger Wagner-Gesang mit einem sehr schönen Legato. Seine Stimme hat von Natur aus eine sonore Kraft und verliert auch in der Höhe nichts an Fokus und Glanz. Seine unvoreingenommene Textgestaltung bietet selbst für erfahrene Kenner des Werkes neue Nuancen. Kaum zu glauben, wie frenetisch das Publikum bei Volles Solo-Vorhang reagiert und ihn völlig zu Recht mit standing ovations feiert.

Markus Stenz hält dieses große Ensemble zusammen mit dem Orchester sehr aufmerksam beieinander, kann allerdings nicht verhindern, dass in Lautstärke und Rhythmik nicht immer alles glatt läuft. Doch das sind nur Kleinigkeiten angesichts einer sehr feurigen Interpretation, die weder an kleinen Details noch an bombastischer Feierlichkeit spart. Das Gürzenich-Orchester folgt seinen Vorgaben mit einem herrlichen Klang, setzt vor allem die vielen Feinheiten sehr prägnant um.

Eine Stärke der Regie ist die Verbindung aus Musik und Aktion. Sie ist auf vielen Ebenen äußert effizient mit vielen Einfällen, kaum ein Gedanke kommt zu kurz. Weder die spielerische Komik und die Liebesgeschichte, noch die Elemente der Kunst und Politik. Laufenberg schreitet in seiner Inszenierung, die Eicke Ecker mit den neuen Sängern einstudiert hat, durch die Zeit, ohne das Werk in irgendeiner Weise zu entstellen. Der erste Akt spielt im Mittelalter, der zweite dann Mitte des 19. Jahrhunderts und der letzte Akt im Heute, noch dazu in Köln vor dem Theater, wie das detailgetreue Bühnenbild von Tobias Hoheisel eindeutig zeigt. Hier zeigt sich auch die wohlklingende, von Andrew Ollivant vorbereitete Chormasse aus Chor und Extrachor in großer Feierlaune, die Laufenberg sehr geschickt auf der Bühne einsetzt. Ollivant ist auch für die geschmackvollen Kostüme verantwortlich. Wolfgang Göbbel leuchtet die Bühne mit Gefühl aus. Falko Sternberg zeichnet für die Videoeinspielungen verantwortlich, die schon im ersten Akt, im Mittelalter, versehentlich sichtbar werden, was für viel Erheiterung sorgt. Doch im dritten Akt bleibt das Lachen im Halse stecken, wenn zu Sachs Worten über die deutschen Meister, die geschichtlich so problematisch sind, die Bilder aus den Konzentrationslagern und des von Bomben zerstörten Köln über die Leinwand flimmern.

Nur ein Buhrufer macht kurz nach den letzten Tönen seinem Unmut über die unangenehmen Bilder Luft, was ansonsten folgt, ist grenzenlose Begeisterung. Sollte jemand aus der Kölner Politik den Abend verfolgen und sich vielleicht von dem „Wacht auf!“-Chor angesprochen fühlen, muss er zugeben, dass das Publikum von diesem Opernabend regelrecht mitgerissen wird. Mehr als zwanzig Minuten dauert der orkanartige Applaus. Kein anderes Plädoyer für die Kölner Oper kann so eindringlich ausfallen wie dieser Opernabend.

Christoph Broermann

 





Fotos: Karl Forster