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Fakten zur Aufführung 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
(Richard Wagner)
4. Mai 2012
(Premiere)

Oper Köln

Points of Honor                      

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Von der Neugier und der Leidenschaft

Die Oper Köln ist eine der Opern Deutschlands, die mit den höchsten Auslastungen glänzen. 90 Prozent der Plätze sind verkauft, seitdem Intendant Uwe Eric Laufenberg die Geschicke der Oper leitet. In diesen Tagen sind für die Aufführungen überhaupt keine Karten mehr zu bekommen. Das mag einerseits an den Menschen liegen, die neugierig darauf sind, wie sich die Leistungen der Oper unter dem enormen Druck der Politik entwickeln, andererseits wollen die Menschen ihre Solidarität beweisen. Ein paar so genannte Ehrenkarten bleiben an diesem Abend liegen, weil die städtischen Vertreter, die sich sonst so gern im Glanz der Oper zeigen, fern geblieben sind. So bleiben die Opernfans unter sich, wenn sich der Vorhang für eine Inszenierung des Fliegenden Holländers von Dietrich W. Hilsdorf öffnet.

Dieter Richter setzt auf die Drehbühne. Im ersten Bild ist eine Diele zu erkennen, in deren Mittelpunkt ein verhängtes Porträt des Fliegenden Holländers hängt. Später wechselt es dann zu der Anlegestelle der Schiffe.  Große, graue Wände, spitzwinklig aneinandergestellt, entpuppen sich als Bordwände der beiden Schiffe. Links der Holländer, aus dessen Wand eine Gangway heruntergelassen wird, rechts das Schiff des Daland, aus dessen Bug zunächst die Schiffsbesatzung die Fallreeps zieht, später dann der Chor auf einer Außentreppe steht. Die Dritte im bewährten Bunde ist Renate Schmitzer, die sich mit konventionellen und also stimmigen Kostümen in das Gesamtbild einfügt, das vom Team um Nicol Hungsberg exquisit ausgeleuchtet wird. Hilsdorf lässt die Bühne offen drehen, so dass nicht nur Transparenz, sondern auch Spannung entsteht. Bis auf einen weiblichen Samiel, also einen Teufel, den Gabi Dauenhauer teilweise nackt darstellt, hat Hilsdorf der Aufführung nichts Außergewöhnliches hinzuzufügen. Gerade darin liegt aber seine Leistung. Denn er bereitet den Akteuren das ideale Umfeld, sich voll und ungehemmt zu entfalten.

Samuel Youn gibt sein Rollendebüt und begeistert von Anfang bis Ende. Sein Bassbariton gerät da, wo es sich gehört, zum schwarzen Bass, spielt gekonnt mit Lagenwechseln, bleibt allzeit verständlich und ist so sicher, dass sich auch der Schauspieler gekonnt entfalten kann. Eine Senta, wie man sie in Bayreuth wohl noch nicht gehört hat, gibt Erika Sunningärdh. Das ist Faszination pur. Ein weiterer Höhepunkt ist Thomas Piffka als Erik. Und als sei es damit noch nicht genug, begeistern Lars Woldt als Daland und Jeongki Cho als sein Steuermann sowohl in stimmlicher als auch in darstellerischer Hinsicht. Beide geben an diesem Abend ebenfalls ihr Debüt.

Vom Debüt weit entfernt ist Andrew Ollivant, der Chor und Extrachor der Herren wieder einmal exzellent einstudiert hat. Der Grandseigneur der Chorleiter hat dafür gesorgt, dass die Chöre mit wunderbarer Präsenz daherkommen und sich in das Spiel einfügen, wie es wunderbarer nicht sein kann.

Markus Poschner obliegt die musikalische Leitung des Gürzenich-Orchesters. Er bringt seine Mannen zu lucidem Spiel, erlaubt sich Pausen, in denen Spannung liegt, um die Dramatik in höchste Höhen zu treiben. Dabei lässt er den SängerdarstellerInnen immer ausreichend Raum, sich zu entfalten. Poschner lässt uns die Schönheit wie die Radikalität wagnerscher Musik neu entdecken.

Eine solch gelungene Veranstaltung lässt die Qualität des Beifalls ändern. Da klatscht ein Publikum, das einfach nur satt ist, sich vollgesogen hat mit einem fantastischen Opernabend. Hilsdorf erweist Laufenberg an diesem Abend einen ganz besonderen Respekt. Bevor der Regisseur auftritt, um sich für sein Werk feiern zu lassen, lenkt der Spot auf einen Intendanten, wie es ihn nur selten in diesen Tagen gibt: Unangepasst, mutig und völlig ohne jede Lust auf Politik. Ein Künstler.

An diesem Abend findet die letzte Premiere im Opernhaus am Offenbachplatz in Köln statt. Es ist das, was man einen krönenden Abschluss nennt. Die Premierenfeier, es war nicht anders zu erwarten, gerät zum Politikum. Eindrucksvoll die Hymne, die der Chor zum Überleben der Oper intoniert. Hier und heute geht eine Ära zu Ende. Vielleicht, wenn es den Mächtigen der Stadt gelingt, wird diese Oper ihre Türen nicht mehr öffnen.  Dann wird es solche Meisterwerke, wie den Fliegenden Holländer an diesem Abend, nicht mehr geben. Bewundernswert, und das ist der Eindruck, der von diesem Abend bleibt, ist der Einsatz und Zusammenhalt des gesamten Teams der Oper Köln.

Michael S. Zerban







Fotos: Paul Leclaire