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Fakten zur Aufführung 

DIE FLEDERMAUS
(Johann Strauß)
31. Dezember 2013
(Premiere am 29. Dezember 2013)

Oper Köln, Oper am Dom


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Musikalischer Überflieger sucht gleichgesinnte Regie

Die großen Szenen finden in Köln derzeit nicht in der Oper statt, sondern allerhöchstens in den Verwaltungsetagen daneben. Und ausgerechnet da, wo man mal auf der Bühne etwas erleben könnte, da setzt Intendantin Birgit Meyer auf eine konzertante Aufführung. Die Fledermaus – konzertant! Das ist ein bisschen so, als würde man einem Porsche eines seiner Räder abmontieren. Und konzertant hätte ja noch Sinn ergeben, wenn man dafür bessere akustische Bedingungen vorhanden wären als die in der Oper am Dom. Was hätte man mit dieser Besetzung auf der Bühne für ein Feuerwerk abbrennen können, wenn man einen guten Regisseur zur Hand gehabt hätte!

Lauren Schubbe, die für die szenische Gesamtleitung verantwortlich ist, kann man da kaum einen Vorwurf machen, dass sie vor dem Orchester ein bisschen eine Mini-Version der bekannten Fledermaus-Witze nach Otto Schenk spielen lässt. Die Notenständer, um die die Sänger vor allem im ersten Akt ihren Slalom-Parcours absolvieren, vermitteln wenigstens den Hauch von einer Wohnungseinrichtung. Ein paar Requisiten wie die kaum genutzte Couch, oder den Tisch fürs Gefängnis sind immerhin kleine Zugeständnisse an die Vorstellungskraft der Zuschauer. Für den Orlofsky-Akt werden die Kronleuchter abgeseilt, die verdächtig nach dem Inventar von La forza del destino aussehen. Das größte Opfer der Akustik und Bühnenaufteilung ist der blendend aufsingende Chor von Andrew Ollivant. Eigentlich klingt es ja stellenweise so, als würde er gar nicht auf der Bühne stehen, doch die Sängerschar führt sich hinter dem Orchester körperlich und stimmlich so auf, als wären sie direkt vorne mit dabei. Respekt!

Und wenn man eine konzertante Aufführung der Fledermaus in beschwingter Walzerseligkeit verlässt, dann muss auch etwas absolut richtig gelaufen sein. Richtig viel Schwung steuert Dirigent Gerrit Prießnitz bei, der klugerweise erkannt hat, dass eine flügellahme Interpretation das Ende dieser Fledermaus wäre. Also legt sich das Gürzenich-Orchester schon bei der Ouvertüre so richtig ins Zeug, und die Streicher lassen die Bögen über die Saiten rasen, so dass man schon leichten Brandgeruch in der Luft wahrzunehmen meint. Und schnell wippen und zucken Finger, Köpfe und Füße im Takt der berühmten Meldodien mit – ganz besonders in Momenten wie dem Champagnergalopp, wo der Rausch des Augenblickes greifbar ist.

Selbst wenn es nur konzertant ist, gehen die Sänger in ihren Rollen, die sich ständig zwischen Schein und Sein bewegen, vollständig auf. Und das in einer Qualität, die durchweg begeistert. Zu allererst muss Claudia Rohrbach genannt werden: Sie agiert als Adele, als wäre sie eine begnadete Soubrette, und sie singt die Rolle gleichzeitig mit einem klangschönen, vollen Sopran technisch so versiert, natürlich und sehr, sehr witzig. An ihre Seite, vielleicht als Lern-Effekt gedacht, hat man die Adele der Zukunft gestellt: Gloria Rehm gibt noch die Ida, aber sie wächst schnell weiter. Man darf gespannt sein, diese beiden Sängerinnen als Agathe und Ännchen im anstehenden Freischütz zu erleben. Großartig auch der Alfred von Mirko Roschkowski. Endlich mal ein richtiger Tenor mit edlem Timbre in dieser eigentlich undankbaren Rolle, der genüsslich mit den Portamenti spielt und den verliebten Charmebolzen mit Bravour darstellt. Angesichts dieser Stimme muss sich jeder Eisenstein Sorgen um seine Ehefrau machen, selbst wenn dieser vom Bühnentier Bo Skovhus verkörpert wird. Die Premiere musste er noch wegen einer Erkältung absagen. In der zweiten Vorstellung am Silvesterabend hustet er noch ein wenig, ließ sich aber davon nicht im Mindesten bremsen. Wenn er wütend mit einem „Servus Mauserl“ auf die Bühne stürmt, macht er vom ersten Augenblick an deutlich, dass diese ihm gehört. Mit seinem kräftigen, höhensicheren Bariton und seinem Totaleinsatz gibt er dem Verlierer Eisenstein eitle Selbstgefälligkeit und eine herrliche Spur Überheblichkeit.

Diese wird ihm gründlich von Doktor Falke ausgetrieben, der sich für einen alten, an sich harmlosen Spaß auf einer Karnevalsparty – in Köln spricht man natürlich von der „PriPro“ – grausam revanchiert. Miljenko Turk trifft sich nicht nur bestens mit Skovhus zum spritzigen Duett Komm mit mir zum Souper, sondern ist auch aalglatter, windiger Drahtzieher. Ein kleiner Höhepunkt ist sein Brüderlein und Schwesterlein. Hier zeigt sich auch Vesselina Kasarova von ihrer feinen lyrischen Seite, die ansonsten als klanggewaltiger Prinz Orlofsky etwas mit der Leichtigkeit dieser Partie zu kämpfen hat. Den Gefängnisdirektor Frank gibt Altmeister Ulrich Hielscher mit komödiantischen Fähigkeiten. Für Adele, die gerne Künstlerin werden möchte, hat er noch den passenden Rat parat: „Überlegen sie es sich gut. Sie müssen dauernd an Silvester auftreten.“ Selbst in der kleinen Rolle des Dr. Blind wird das Niveau gehalten: Ralf Rachbauer stottert und plappert auf die Achtel genau. Burghard Braun spielt den Frosch in diesem semiszenischen Umfeld als einen kölschen Beamten. Bleibt noch Simone Kermes, die als Rosalinde ihre ganz eigene Kunst abliefert. Allein für diese ungewohnt resolute, fast dominante Charakterdeutung hätte sich eine vollständige Inszenierung angeboten. Gewöhnungsbedürftig ist ihr körperlicher Einsatz, der fast zur reinen Show verkommt. Gewiss ist es beeindruckend, wie sie in glitzernden High Heels und glamourösen Kleidern über die Bühne wirbelt. Grenzwertig sind die Gesten beim Czárdás: Oftmals wirkt es so, als wolle sie Gerrit Prießnitz mit Schnipsen und Klatschen zur Eile antreiben. Auch ihre zuckenden Hände erinnern mehr an Lucky Luke, der schneller schießt als sein Schatten. Rein gesanglich ist die Rosalinde wegen ihrer Tiefe nicht ganz ihre Sache, was sie aber geschickt mit kleinen Tricks und einer starken Höhe zu kaschieren weiß.

Die Oper am Dom hat noch zwei weitere Nachteile. Erstens: Man hat das Gefühl, man klatscht mit seinen Nachbarn alleine. Doch der langanhaltende Applaus, der sogar eine Zugabe des Champagnergalopps mit sich bringt, spricht für sich. Zweitens: Die Frühzünder draußen in Köln hört man dagegen sehr gut. Doch während draußen nur geböllert wird, findet das Feuerwerk drinnen statt. Schön, dass sich die Oper Köln zumindest musikalisch würdevoll vom Jahr 2013 verabschieden darf. Birgit Meyer sollte sich für 2014 gute Vorsätze überlegen, welche und wie viele Opern oder Operetten sie konzertant aufführen möchte. Vielleicht kann man sich sonst die teure Sanierung des Opernhauses direkt sparen.

Christoph Broermann

Fotos: Paul Leclaire