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Fakten zur Aufführung 

FIRST POSITION
(Bess Kargman)
17. Juli 2013
(Premiere am 4. Juli 2013)

Kinofilm


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Ballett ist ihr Leben

Es ist zurzeit sehr schick, sich Live-Übertragungen von Opern- oder Tanzvorstellungen großer Häuser im Kino anzusehen. Die Pariser Oper, das Mariinski-Theater oder Royal Ballet im Popkornformat, manchmal sogar in 3D. Zugegeben, Opern- und Tanzliebhaber kommen im Kino selten auf ihre Kosten. Da sind die neuesten Entwicklungen mit Freude zu begrüßen, wenn kein Stadttheater in der Nähe ist. Noch begrüßenswerter ist es, wenn, wie im diesen Falle, der Tanz es als Inhalt einer Dokumentation in Spielfilmlänge in unsere Kinos schafft: Seit dem 4. Juli 2013 läuft in den deutschen Kinos First Position, das Regiedebüt von Bess Kargman.

Der Titel des Films ist zweideutig angelegt und erschließt sich nicht jedem sofort: First Position, zu Deutsch erste Position, bezeichnet zum einen die Position der Füße im Klassischen Ballett, in der beide Fersen sich berühren und die Füße nach Außen zeigen, zum anderen ist damit die Erstplatzierung im Wettbewerb gemeint. Genau darum geht es in First Position. Portraitiert werden sechs junge Tänzerinnen und Tänzer, die am Youth America Grand Prix teilnehmen: Eine jährlich stattfindende Großveranstaltung, in der nach unzähligen Vorrunden mit Bewerbern aus der ganzen Welt ein großes Finale in New York ausgetragen wird. Der Film erklärt, dass es aus etwa 5.000 Bewerbern nur um die 100 in das ersehnte Finale schaffen. Dort haben alle Teilnehmer fünf Minuten Zeit, die international besetzte Jury von Ihrem Können zu überzeugen. Alleine die Präsenz im Finale des Wettbewerbs kann Einfluss auf die weitere Laufbahn der jungen Tänzerinnen und Tänzer zwischen 9 und 19 Jahren haben. Den Gewinnern winken Stipendien und Engagements bei den großen und bedeutenden Ensembles und Schulen dieser Welt.

Die Protagonisten des Films sind gut ausgewählt: Da ist zum einen die 14-jährige Miko, deren Tigermama wirklich alles daran setzt, aus ihrer begabten Tochter das Beste herauszuholen. Auch wenn das heißt, dass die Firma des Vaters und damit alle Mitarbeiter umziehen müssen, damit Miko es nicht mehr soweit zum Ballettunterricht hat. Den Schulunterricht muss sie online absolvieren, damit mehr Zeit fürs Training bleibt. Ihr kleiner Bruder Jules muss auch zum Ballett, schafft es aber, nach erfolgloser Teilnahme am Wettbewerb, sich von der ungeliebten Kunst abzuwenden. Alternativprogramm: die Vorbereitung auf eine Elitehochschule.

Der 11-jährige Aran besucht auch keine reguläre Schule mehr, sondern erhält Privatunterricht. Wir erfahren, dass er gerne Skateboard fährt und mit Actionfiguren spielt - ein ganz normaler Junge eben. Etwas irritierend ist die Szene, in der er dem Kamerateam eine Holzvorrichtung demonstriert, in der er seinen Fußspann dehnt. Sein Kommentar hierzu: „Tut sehr weh!“.

Und dann sind da noch die etwas ernsthafteren jungen Talente: Rebecca, die „pretty-in-pink“-Prinzessin aus Maryland; Michaela, das umbenannte Adoptivkind aus Sierra Leone mit Pigmentstörung und Joan Sebastian aus Kolumbien, der seine zurückgelassene Familie stolz machen will. Sie alle träumen von der großen Karriere als Tänzerin oder Tänzer, die so wenigen bevorsteht. Anerkannte Künstler wollen sie werden, jenseits von Rassendiskriminierung und Cinderella-Story.

Dem Zuschauer wird versichert, dass Tänzer viel und gut essen, weil sie schließlich viel Energie zum Tanzen brauchen, Verletzungen an der Tagesordnung sind und dass die Amerikaner Unsummen in die Ausbildung ihrer Kinder investieren. Tutus sind so teuer wie Hochzeitskleider und Spitzenschuhe halten nur kurze Zeit, bevor sie ersetzt werden müssen.

Blut, Schweiß und Tränen, das ist es, was die Tanzwelt ausmacht. Eine Erkenntnis, die nicht erst seit First Position gilt. Vielleicht ist es ja nur ein Klischee, das von außen an die Ballettwelt herangetragen wird und das durch die Bilder immer wieder Bestätigung erfährt. Vielleicht ist es aber auch das System: ein Wettbewerb, der zu viele Verlierer produziert. Die werden nicht gezeigt. Oder ist es Zufall, dass fünf Protagonisten zu den Gewinnern des Wettbewerbs zählen?

Der Debütfilm von Bess Kargman ist in erster Linie geeignet für Ballettbegeisterte: junge Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, selbst eine Karriere als Tänzer anzustreben und deren Eltern. Gezeigt werden hoch talentierte junge Tänzerinnen und Tänzer in leider etwas zu kurz geschnittenen Tanzsequenzen. Da gerade diese Menschen sich für den Film Zeit nehmen werden, die a priori dem Tanz zugeneigt sind, hätte man ihnen längere Tanzsequenzen durchaus zumuten können. Schließlich sind die Protagonisten durchweg leistungsstarke Tänzerpersönlichkeiten. Angehörige und Jurymitglieder kommen stattdessen zu Wort, und der Zuschauer bekommt Einblicke in viele verschiedene kurze Probensituationen. Es sind nette Impressionen, die Kargman eingefangen hat, ob sie im Sommer die Kinos füllen können, bleibt jedoch fraglich. Denn das größte Manko dieses Films ist, dass obwohl es um Tanz geht, dieser nur am Rande in Erscheinung tritt. Der Film fokussiert in erster Linie die individuellen Lebensgeschichten und die soziale Herkunft der Protagonisten.

Jasmina Schebesta

Fotos: Ascot Elite Filmverleih