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Fakten zur Aufführung 

BORDER
(Ludger Vollmer)
13. April 2012
(Uraufführung)

Oper Köln, Kinderoper im Palladium


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Grenzenlos gut

Seit heute Abend darf Elena Tzavara mit Fug und Recht von sich behaupten, ein Stück Operngeschichte in Köln mitgeschrieben zu haben. Sie ist diejenige, die die erste Jugendoper an der Oper Köln inszeniert hat. Die Leiterin der Kölner Kinderoper hat bei dem Komponisten Ludger Vollmer eine Jugendoper in Auftrag gegeben. Der hat zuvor mit seinem Werk Gegen die Wand nach dem Film von Fatih Akin viel von sich reden gemacht. Für Köln greift er die griechische Tragödie Die Kinder des Herakles von Euripides auf und lässt von Stephanie Schiller ein Libretto nach deren Motiven anfertigen. Es entsteht ein Werk, das von der ersten Sekunde an fesselt. Vollmer bedient sich verschiedener kultureller Einflüsse und entwickelt ein Gespür für feine Nuancen, stimmige Effekte und eine moderne, nie langweilige oder künstlich wirkende Musik. Das Gürzenich-Orchester interpretiert sie unter unglaublich engagiertem Einsatz von Fuad Ibrahimov transparent und kraftvoll.

Vor dem Orchester, das hinter der Bühne platziert ist, erzählt Tzavara die Geschichte von den Geschwistern Makaria, Farid und Abiah. Deren Vater ist einem politisch motivierten Mord zum Opfer gefallen. Nun müssen die Jugendlichen aus ihrer Heimat fliehen. Auf getrennten Wegen kommen sie zum Freund des Vaters, Iolaos, nach Deutschland. Dessen Sohn Manol und Makaria verlieben sich ineinander. Weiter verfolgt vom heimatlichen Geheimdienst, kann das Haus des Iolaos nur Zwischenstation bleiben. Manol will seine junge Liebe nicht der Flucht opfern und geht einen Pakt mit Geheimdienstchef Kopreus ein. Dramaturgin und Bühnenbildnerin Annika Haller baut eine Handlungsfläche, die aus verschiedenen, meist schiefen Ebenen besteht und viel Raum für Bewegung bietet. Die ist auch nötig, um die 55 Mitglieder der beiden Chöre und die sechs Solisten in der Choreographie von Salim Ben Mammar agieren zu lassen. Der setzt bei der Flucht Parkour ein, eine Sportart, bei der sich junge Menschen sehr schnell und ohne Rücksicht auf Hindernisse durch die Stadt bewegen. Daraus entstehen atemberaubende Effekte, die dem Publikum die Dramatik der Flucht unter die Haut treiben. Bei solch spannenden Erlebnissen auf der Bühne, die von Michael Werner mit wirkungsvollen Lichteffekten nahezu perfekt untermalt werden, ist es umso ärgerlicher, dass die Kölner immer noch nicht dazu gelernt haben. Da wird mit unglaublichem personellen Aufwand und Einsatz gearbeitet – und dann mal wieder an der Übertitelung gespart. Dabei ist die Akustik in der Halle 2 des Palladium so, dass man, sobald das Orchester spielt, kaum ein gesungenes Wort versteht.

Das Ergebnis ist nach der Aufführung von den jugendlichen Besuchern zu hören: „Das war so toll! Aber ich hab nicht verstanden, worum es ging.“ Und „toll“ ist wirklich, was Solisten und Chor bieten. Gloria Rehm reizt ihren sehr transparenten Sopran aus, kann noch in, aber auch zwischen den Höhen mühelos variieren. Auch Sandra Janke gefällt als Abiah. Ralf Rachbauer alias Manol gleicht seinen Tenor so gekonnt den Melodien an, dass er leider so gut wie gar nicht mehr zu hören ist. Farid wird von Charlie Kedmenec mit großer Bühnenpräsenz und gesanglich eindrucksvoll dargestellt. Herrlich böse stellt Matias Tose den Geheimdienstchef Kopreus dar. Dabei hilft ihm sein warmer, unglaublich geschmeidiger Bass. Werner Sindemann feiert dieses Jahr sein 50-jähriges Bühnenjubiläum an der Oper Köln (Glückwunsch!), das ist aber seinem Bariton nicht anzuhören, wenn er dem Iolaos mal Leid, mal Tatkraft verleiht. Dabei mutet Vollmer sowohl seinen SängerInnen als auch dem Chor stimmlich einiges zu.

Jens Olaf Buhrow hat sowohl den eigens gecasteten Border-Chor als auch den Jugendchor gründlich vorbereitet. Und so sind die jungen Sängerinnen und Sänger mit Disziplin und Präzision bei der Sache. Bis zur letzten Sekunde. Nachdem das Licht verloschen ist, wird die zur Schrecksekunde. Stille, dann müdes Klatschen. Erst nach und nach entwickeln sich johlende Beifallsstürme. Und so dürfen sich Ludger Vollmer, aber auch Elena Tzavara und ihr gesamtes Team völlig zu Recht für eine großartige Leistung feiern lassen.

Ausnahmsweise erwähnt werden soll das Programmheft, das absolut jugendgerecht aufbereitet ist – und sogar eine Fotostory enthält, die die Handlung wiedergibt. Hätte man’s doch vorher gewusst.

Michael S. Zerban

 







Fotos: Matthias Baus