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Fakten zur Aufführung 

MACBETH
(Giuseppe Verdi)
31. Oktober 2013
(Premiere)

Stadttheater Klagenfurt


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Poesievolles, spannendes Grauen

Hinweg, Geist der Hölle! … Tu dich auf, Erde, verschlinge ihn! … Seine Knochen lodern! Das dampfende Blut spritzt mir ins Gesicht! Sein Blick, auf mich gerichtet, durchbohrt mein Herz!“ – Fahles Licht erfüllt plötzlich die Bühne. Die Trinkbecher fallen zu Boden. Die gesamte Festgesellschaft erstarrt, als Macbeth in Panik diese Worte schreit. Sie verstehen seine Reaktion nicht, denn nur er sieht den blutverschmierten Geist des Banco, den er zuvor von gedungenen Mördern erstechen ließ: Eine ungemein aufregend inszenierte Schlüsselszene von Giuseppe Verdis Macbeth am Klagenfurter Stadttheater, mit dem auch hier des Jubiläumsjahres des großen italienischen Opernkomponisten gedacht wurde.

Aber auch sonst hat die Inszenierung von Cesare Lievi ihre Meriten: In einem sehr einfachen, aber stimmigen Bühnenbild von Josef Frommwieser, einen Saal eines Palastes darstellend, und den ausnehmend schönen, historisch stilisierten Kostümen von Marina Luxardo, zeigt der Regisseur mit wenigen Versatzstücken eindrucksvolle, poesievolle Bilder. Auch wenn seine Regie doch eher von großer Statik geprägt ist und ästhetische Arrangements vorherrschen, so weiß der italienische Regisseur und erfahrene Theatermann, der auch schon an der New Yorker Met, an der Mailänder Scala, aber auch am Opernhaus in Zürich Opern inszeniert hat, fern irgendwelcher banaler Aktualisierungen trotzdem mit sehr gescheiten, zeitgemäßen Akzenten und durchdachten Aktionen packendes Musiktheater zu inszenieren. Da wird die reale Welt der Menschen jener irrealen der Hexen gegenübergestellt – mit einem knorrigen Baum, Nebelschwaden, einem wabernden Hexenkessel, aufgehängten Leichen. Da wird der klar erzählte Stoff nach William Shakespeare von Machtgier, Liebe und Intrigen um traumhafte Visionen von Macbeth und der Lady um ihren unerfüllten Kinderwunsch erweitert, etwa durch die omnipräsente Wiege und die gezeigte Geburt eines Kindes, die meist hinter einem durchsichtigen Schleier stattfindet. Da gibt es auch kindliche Hexen, die Erscheinung der Könige sind ebenfalls Knaben. Trotzdem bleibt Lievi immer hart am Libretto und erlaubt sich nichts, was sich nicht daraus ablesen ließe. Die meisten Verwandlungen sind fließend gelöst, nur manchmal, speziell beim Chor, wirken die Szenenübergänge teilweise etwas holprig. Der Regisseur lässt auch die Symbolik spielen, etwa mit einem Kreuz, das von der Lady als Satanskreuz verkehrt in den Boden gesteckt wird und zu brennen beginnt. Ungemein suggestiv sind auch die Lichtstimmungen vom Lichtdesigner Luigi Saccomando, besonders dann von einnehmend atmosphärischer Wirkung, wenn die Hexen bei einem Chor von unten mit einem goldenen Muster bestrahlt werden.

Die verhältnismäßig geringe Breitenwirkung des Macbeth ist in erster Linie auf die Schwierigkeiten einer vollwertigen Besetzung des Titelhelden und seiner Lady zurückzuführen, die Persönlichkeiten von höchstem künstlerischen Format verlangen. Diese hat man für Klagenfurt gefunden. So ist Tatiana Melnychenko, die die Rolle schon an der Scala gesungen hat, eine Urgewalt von einer Lady Macbeth und wahrlich zum Fürchten: Mit welcher enormen Bühnenpräsenz, inklusive ausdruckvoller Mimik, sie die völlige Dominanz über ihren Gatten zeigt und mit welcher Riesenstimme sie hochdramatisch ihre Töne hinausschleudert, ist schon atemberaubend. Aber in ihrer breiten Ausdruckskala ist sie auch zu innigen Tönen, vor allem in der Nachtwandlerszene, fähig. Der junge Russe Maksim Aniskin, der durch eine Verkühlung etwas angeschlagen ist, singt den Titelhelden besonders lyrisch, etwas verhalten mit seinem ausgesprochen schönen Bariton, dreht aber dann im Finale gehörig auf und lässt dann noch mehr dunkel-metallisches Material hören. Der Operndebütant Evgeny Stavinskiy ist ein Banco mit einem selten so schön und kultiviert gehörten, breit dahin strömenden Bass, an den jungen Nicolai Ghiaurov erinnernd. Merunas Vitulskis gibt den Macduff, in der Tiefe etwas unausgeglichen und sehr tremoloreich, in der Mittellage und Höhe mit herrlich glanzvollem Tenor und ungefährdeten Spitzentönen. Von den kleineren Partien, die aus dem hauseigenen Ensemble besetzt sind, ragen Golda Schultz als Kammerfrau, Patrick Vogel als Malcolm sowie David Steffens als Arzt in der Maske von Sigmund Freud heraus. Der Chor des Hauses, dessen Einstudierung Günter Wallner besorgte, versteht es, abgesehen von kleineren Unpräzisionen, ungemein stimmgewaltig und mitreißend zu singen.

Feuriges und Spannungsgeladenes hört man auch aus dem Orchestergraben. Aber nicht nur gewaltige Ausbrüche, bei denen manchmal das Temperament durchgeht und beim Phonpegel die Grenze überschritten wird, und mitreißende Steigerungen sind im Kärntner Sinfonieorchester unter dem energiegeladenen Alexander Soddy zu vernehmen, sondern auch mit wunderbar austariertem Feinschliff und subtile Tönen erlebt man Verdis geniales Frühwerk. Der junge Brite und neue Chefdirigent hat wieder einmal vorzügliche Probenarbeit geleistet.

Auch das Publikum ist uneingeschränkt mit der bereits zweiten, erfolgreichen Opernproduktion dieser Saison zufrieden, es jubelt uneingeschränkt.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Arnold Pöschl