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Fakten zur Aufführung 

DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN
(Sergej Prokofjew)
20. März 2014
(Premiere)

Stadttheater Klagenfurt


Points of Honor                      

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Ironisch funkelnde Farce, expressiv überzeichnet

Der Teufel, der mit seinem hellbraunen Anzug eher wie ein Pate aussieht, bläst lässig mit Zigarettenrauch den Prinzen und Truffaldino über die Bühne. Tragiker demonstrieren gegen die Komiker und Lyriker und umgekehrt. Eine Prinzessin, aus einer Orange entschlüpft, wird in eine Riesenratte verwandelt. Magiere, Hexen, Sonderlinge und eine Köchin mit einer tödlichen Küchenkehle schwirren herum. Aber zum Schluss wird alles gut!

Mit einem Glas Champagner wurde Die Liebe zu den drei Orangen von Sergej Prokofjew verglichen: Prickelnd und überschäumend mit ausgefallenen Ideen, sprudelt die Oper nur so von Witz, Skurrilität und Ironie. Der bekannte venezianische Theaterdichter Carlo Gozzi schrieb die Geschichte vom zutiefst melancholischen und hypochondrischen, todunglücklichen Prinzen, einem typischen Wohlstandskind, dem das Lachen vergangen ist. Durch ein Missgeschick der bösen Hexe Fata Morgana erlernt er es wieder, wird aber dafür mit dem Fluch belegt, sich in Orangen zu verlieben. Die wiederum sind verzauberte Prinzessinnen und eine davon wird zum Schluss die Seine.

Den Lauf der Zeit muss man anhalten, jeden Orientierungssinn vergessen und sich in eine Welt hineinziehen lassen, in der es keinen Augenblick des Nachdenkens oder der Langeweile gibt. Dazu sollte sich jeder Besucher einlassen, wenn er das Stück besucht, und alles nicht wirklich allzu ernst nehmen. Denn die Oper ist eben nun mal eine völlig irreale, ironisch-funkelnde Farce mit teils feiner, teils grotesk-bizarrer Komik, mit burlesken Elementen der Commedia dell’arte, mit Figuren des Märchens, der Unterwelt und des kommentierenden Publikums, vom Chor dargestellt, das in verschiedene Lager gespalten ist. Und sie stellt für jeden Regisseur eine große Herausforderung dar.

Nicht so für Immo Karaman, der das Werk schon in gleichartiger Form 2011 im Münchner Theater am Gärtnerplatz herausbrachte. Denn der deutsche Regisseur gibt von Anfang an mächtig Gas und füttert unsere Augen großzügig mit ideen- und fantasiereichen Eindrücken. Er siedelt die surreale und bizarre Welt zur Zeit der Uraufführung 1921 in Chicago an, in einer Epoche, in der alles möglich war. Damit hat er das passende Biotop für seine grelle Orangenplantage gefunden. Es genügt ihm eine drehbare Guckkastenbühne, für die Ausstattung zeichnen Timo Dentler und Okarina Peter verantwortlich – ein Theater im Theater. Sie wirkt wie ein Bilderrahmen, in dem alle Mitwirkenden, wie auf einem Gruppenfoto auf kleinstem Raum zusammengepfercht, immer wieder posieren. Und daraus werden einzelne Protagonisten, wenn sie agieren müssen, in den restlichen, dunklen Bühnenraum hinausgeschleudert. Es sind Bilder, die vom deutschen Maler und Graphiker Otto Dix animiert sind, mit ungemein phantasievollen Kostümen, kreativen Masken sowie einer immer am Puls der Musik agierenden Choreographie von Fabian Posca, dem kongenialen, langjährigen Partner des Regisseurs. Mit bewusst expressiver Überzeichnung aller Figuren in Gestik und Mimik werden die Grenzen zum Tanz fließend. Dass auch dieser ganz fabelhaft gelingt, dafür sorgt das engagierte Ballett Gärtnerplatztheaters. Und wie die Gesten der Musik abgelauscht sind und wie sich alle inklusive des hoch motiviert agierenden und singenden Chores in der Einstudierung von Günter Wallner dynamisch immer wieder zu neuen Positionen zusammenfinden, das verrät schon ein starkes Regiehandwerk.

Eine weitere Herausforderung für jedes Haus ist die Tatsache, dass das Werk allein 15 Gesangssolisten braucht. Und so ist es erstaunlich, dass es auch in einem doch eher kleineren Haus wie Klagenfurt gelungen ist, diese von anschaulich guter Qualität aufzubieten. Es ist eine gelungene Mischung von Ensemblemitgliedern und Gästen, die ebenso wie der Chor, dessen Mitglieder als einander rivalisierende Fans der Tragik, der Komik und Lyrik das Geschehen kommentieren, in gut verständlichem Deutsch singen . Herausragend ist einmal mehr Golda Schultz, derzeit noch am Haus fix engagiert, als zauberhafte, feinstimmige und glockenreine Prinzessin Ninetta. Ilker Arcayürek singt den traurigen Prinzen mit schönem, aber kleinen und in der Höhe sehr eng werdenden Tenor. Stephan Klemm, auch schon in München dabei, ist ein stimmgewaltiger Treffkönig, Patrick Vogel ein höhensicherer, agiler Spaßmacher Truffaldino, Bea Robein eine mondäne Clarice mit klarer Stimme. David Steffens gibt einen kraftvollen Zauberer Tschelio, Zoltán Nagy einen fiesen Minister Leander und Michael Schober einen dämonischen Farfarello. Auch darstellerisch köstlich erlebt man Holger Ohlmann als böse Köchin mit schwarzem Glitzerkleid, die anstelle eines riesigen Kochlöffels nur ein winziges Löffelchen schwingt. Lasziv und bösartig tritt Stefanie C. Braun als Fata Morgana auf, tadellos Aleksandra Križan als Smeraldina, stellvertretend erwähnt für die vielen kleineren Nebenrollen.

Prokofjews subtil untermalter, dramatischer Deklamationsstil mit bizarren Klangeffekten, der Witz und die Ironie sind beim Kärntner Sinfonieorchester unter Alexander Soddy in guten Händen. Man hört wunderbare Farbmischungen, rhythmische Schärfe und mitreißenden, funkelnden Verve. Kleinere Unsicherheiten im Zusammenspiel sollten sich noch legen. Auch der immer wiederkehrende, schräge Marsch fesselt, der durchaus Ohrwurmcharakter aufweist und zu dem ironischerweise Charleston getanzt wird .

Wiewohl einige offenbar unvorbereitete Zuhörer in der Pause bereits das Weite gesucht haben, ist die Zustimmung des Publikums ungebrochen. Es jubelt begeistert.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Karlheinz Fessl