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Fakten zur Aufführung 

END OF THE RAINBOW
(Peter Quilter)
26. April 2014
(Premiere)

Stadttheater Klagenfurt


Points of Honor                      

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Achterbahn der Stimmungen

Es war ihre Erkennungsmelodie, ihr Markenzeichen und das mehr als nur deshalb, weil ihre große Karriere mit diesem Song begonnen hat: Over the Rainbow. Nein, Judy Garland hat ihn erlebt und erlitten: Diesen Text über ein Paradies jenseits des Regenbogens, einen Platz ohne Probleme und Schwierigkeiten. Why, oh why can‘t I? hat sie vielleicht ein paar tausend Male in ihrem Leben gesungen. Over the Rainbow war auch ihr letztes Lied, ihre letzte Zugabe, die sie je gesungen hat.

Deshalb ist auch sehr berührend und regelrecht deprimierend, wie dieser Song am Klagenfurter Stadttheater zum Finale gesungen wird: Ganz sanft, teils nur gehaucht, mit bewusst etwas verschleppten Tönen. Ganz allein und klein, zart, ja fragil, steht Helen Schneider zuerst auf der Bühne da und singt es, nur von einem Klavier begleitet, ohne Mikro, bevor sie sich auf den Boden setzt. Und jeder weiß, es ist ein Abschied, nicht nur von der Showbühne sondern vom Leben überhaupt. Es ist ihr Lied, gehört ihr allein, aus dem Zauberer von Oz, mit dem Judy Garland im Alter von nur 17 Jahren berühmt wurde. Und es ist doppelt deprimierend und berührend, wenn jeder erkennen muss, was ihre unmäßige Alkohol- und Tablettensucht aus dem einstigen Hollywood-Star der 1930-er und 40-er Jahre gemacht haben. „Jedes Mal, wenn ich Wasser trinke, habe ich das Gefühl, etwas fehlt“: Deshalb spült sie die runden Problemlöser auch nur mit Hochprozentigem hinunter.

Peter Quilter hat die letzten Monate vor Garlands Tod im Jahre 1969, im Alter von nur 47 Jahren, in das Theaterstück End of the Rainbow gepackt, dessen Uraufführung 2005 in Sydney passierte und das mittlerweile auf allen Kontinenten erfolgreich aufgeführt wurde. Unterfüttert wird es von zehn der denkwürdigsten und bekanntesten Songs, die Judy Garland immer wieder gesungen hat, und erlebt jetzt am Stadttheater Klagenfurt seine höchst erfolgreiche, österreichische Erstaufführung.

Der amerikanische Westend- und Broadwayautor zeigt die verzweifelten Versuche der Garland im Zuge einer Comeback-Konzertserie in London, die Illusion einer großartigen Diva aufrecht zu erhalten. Er setzt ihr mit End of the Rainbow ein alles andere als ein glänzendes Denkmal, aber dafür ein sehr fragiles Porträt. Der Autor zeigt ein von Pillen und Promille gezeichnetes menschliches Wrack, das nur mehr in benebeltem Zustand ertragen kann, Judy Garland zu sein. Das wie auch der sarkastische Humor ist bei Aron Stiehl bestens aufgehoben. Seine Regiearbeit setzt auf feinsinniges Herausarbeiten der Zerrissenheit der drei Protagonisten. Der Regisseur legt die Charaktere vielschichtig an und lässt dem Publikum viel Spielraum zu entscheiden, wie viel Liebe oder Berechnung im Handeln des Managers liegt, ob Judy überhaupt noch einen Bezug zur Realität hat und welcher der beiden Herren am konsequentesten handelt. Obwohl Stiehl ein sicheres Händchen für das Timing von Pointen und Dramatik hat, kann er gewisse Schwächen in punkto Langatmigkeit und seichte Klischeehaftigkeit des Textes von Horst Johannig nicht kaschieren.

Bühnenbildner Jürgen Kirner hat dafür eine weiße Hotel-Suite mit einigen, wenigen Versatzstücken wie Sofa, Fenster, Bad im Stile der 1960-er Jahre erdacht. Davor steht am linken Bühnenrand ein Flügel, an dem ihr treuester Freund, der homosexuelle Pianist Anthony agiert. Alexander Lutz spielt tatsächlich wie auch ausnehmend gut Klavier und überzeugt aber vor allem in der Darstellung eines hilflosen Realisten, der letztendlich daran scheitert, Judy zurück in die Realität zu ziehen und ihren Totalzusammenbruch durch Absage der Auftritte verhindern zu wollen. Letztlich, von ihrer Sucht besiegt, wendet sie sich von ihm ab. Seinen Gegenpart Mickey Deans, Judys sehr viel jüngerer Manager und Verlobter Nummer fünf, der versucht, von echter Zuneigung getrieben, ihren wirtschaftlichen Bankrott abzuwenden, indem er sie auf die Showbühne treibt, lotet Tim Grobe, anfänglich nicht immer ganz verständlich, gekonnt zwischen sorgendem Liebhaber und skrupellosen Geschäftsmann changierend, aus.

Im Mittelpunkt des Abends steht allerdings Helen Schneider als Judy Garland, deren, wie auch die anderen geschmackvollen Kostüme von Sonja Albartus stammen. Mit ungeheurer Bühnenpräsenz, divenhaftem Gehabe wie auch viel Power und einem Nuancenreichtum in ihrer ausdruckstarken Stimme gibt sie einen abgehalfterten Showstar und zeichnet durchaus ein zerbrechliches Porträt. Die amerikanische Schauspielerin und Sängerin wechselt mühelos auf der Klaviatur der Stimmungen von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt und torkelt wie ein ferngesteuerter, willenloser Zirkusgaul über die Bühne. Eine tolle Leistung!

Mitsugu Hoshino am Pult und das hoch motivierte Kärntner Sinfonieorchester, das erstaunlicherweise wie eine originale Bigband klingt, spielen die zehn Songs, wie etwa Just in Time oder When You’re Smiling, die musikalischen Arrangements dafür stammen von Jan-Peter Klöpfel, die Judy Garland unsterblich gemacht haben, mit Verve und Power. Im Hintergrund der Drehbühne postiert, werden sie immer wieder hereingedreht und zaubern vor unzähligen, leuchtenden Glühbirnen auch optisch eine klassische Show-Atmosphäre.

Das Publikum bei der Premiere ist jedenfalls begeistert und lässt sich zu spontanen, minutenlangen, stehenden Ovationen hinreißen.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Karlheinz Fessl