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Fakten zur Aufführung 

DIE CSÁRDÁSFÜRSTIN
(Emmerich Kálmán)
19. Dezember 2013
(Premiere)

Stadttheater Klagenfurt


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Ganz ohne Schwung geht die Chose nicht

Zugegeben, es ist nicht leicht, Operette zu inszenieren. Auch nicht Die Csárdásfürstin von Emmerich Kálmán. Denn die kluge, wirkungssichere Balance von Licht und Schatten im Wechsel von heiter beschwingten, melancholisch umdüsterten, lustig draufgängerischen und leidenschaftlich erregten Szenen auf den Punkt zu finden, fällt schwer. Auch dann, wenn man selbst viele neue Ideen hat und ein großes Gespür für Details.

So wie Tobias Kratzer in seiner neuen Inszenierung dieser populären Meisteroperette am Stadttheater Klagenfurt. Denn der aus Landshut stammende Regisseur erfindet eine völlig neue Rahmenhandlung: Viele Jahre später treffen sich, mittlerweile schon ziemlich alt geworden, Sylva Varescu, Edwin von und zu Lippert-Weylersheim und die Komtesse Stasi zum Jahreswechsel bei ihrem gemeinsamen Freund Feri Bácsi. Sie blättern melancholisch in alten Fotoalben und schwärmen von jener Zeit, als sie noch jung waren. Voll von Erinnerungen stellt sich die „alte“ Sylva an die Rampe und imitiert ihre Auftrittsarie, die dann gleichzeitig von der „jungen“ Sylva, auf einer Schaukel vom Schnürboden herunterschwebend, tatsächlich gesungen wird. Aber auch bei der nun stattfindenden, altbewährten Handlung werden die Figuren der „jungen“ Protagonisten ständig von den „alten“ gleichzeitig gedoubelt. Sie sprechen auch zusätzliche Texte, leiden mit den „jungen“ Protagonisten und übernehmen von ihnen auch immer wieder Dialog und Spiel. Eine anfänglich nicht uninteressante Konzeption, die sich aber bald als für die Handlung verwirrend und entbehrlich erweist. Denn die „Alten“ schlüpfen übergangslos auch immer wieder in andere Rollen: So spielt etwa Gudrun Velisek neben der alten Sylva auch Edwins Mutter Anhilte, Wolfgang Kraßnitzer neben dem alten Edwin auch dessen Vater Leopold Maria und gleich noch den General Rohnsdorff. Völlig unklar für einen Neuling, der den Plot noch nicht kennen sollte.

Aber neben diesen Verwirrungen muss man Kratzer vorwerfen, und dieser Vorwurf trifft noch gravierender zu, dass das Spiel insgesamt jeglichen Schwungs und Temperaments entbehrt. Denn selten hat man diese beliebte Operette, deren sprühende Melodien und Rhythmen ja geradezu zum Tanzen auffordern, so bewegungsarm und schwunglos, ja geradezu langweilig erlebt. Darüber kann auch ein achtköpfiges Miniballett in einer beinahe karikierend wirkenden Choreographie von Tim Plegge nicht hinwegtäuschen.

Und noch ein Mangel ist zu bemäkeln, denn der Regisseur nimmt Kálmáns populärstes Werk im doppelten Sinne wörtlich so ernst, dass er zwar Melancholie zulässt, ihm aber jeglichen Witz – wobei auch die Pointen nicht treffsicher gesetzt werden – Leichtigkeit und Charme nimmt. Einen Charme, den der geschmackvolle und mit wunderbaren Lichtstimmungen ausgeleuchtete Salon wie auch die ausgesprochen ästhetischen Kostüme in der Ausstattung von Rainer Sellmaier durchaus verströmen.

Der Mangel an Schwung, Temperament und Schmäh ist allerdings auch an den, für die Rollen nicht ideal ausgewählten „jungen“ Protagonisten vorzuwerfen: Ja, so ein Teufelsweib ist Stefanie C. Braun zweifellos nicht, denn sie zeigt als Sylva kaum Leidenschaft, bewegt sich und tanzt kaum und singt mit reichem Tremolo. Patrick Vogel ist ein auch stimmlich ziemlich farbloser, gefühlsarmer Edwin. Marie Smolka verfügt selbst für die Komtesse Stasi über einen viel zu kleinen Sopran. Auch Ilker Arcayürek ist ein wenig stimmkräftiger Boni, überhaupt kein Buffo, der zudem auch noch viele seiner sonst sehr komischen Pointen verschenkt. Jeff Martin singt den Feri Bácsi lediglich anständig und nicht mehr. Auch der Chor des Hauses darf sich kaum tanzend bewegen, aber er singt wenigstens sehr ausbalanciert. Bezeichnend ist überhaupt, dass die „Alten“, alle exzellente, versierte Schauspieler – Elfriede Schüsseleder spielt die ältliche Stasi, die übrigens auch gut singt und zum Finale überraschend stirbt – die „Jungen“, die eigentlichen Sänger, an Bühnenpräsenz glatt an die Wand spielen.

Dass es auch dem Kärntner Sinfonieorchester an Paprika und Spritzigkeit fehlt, liegt sicher an Günter Wallner; er ist eigentlich der Chorleiter des Stadttheaters und hat diesen auch einstudiert. Sehr behäbig, dynamisch immer sehr gedämpft und ohne mitreißende Akzente lässt er die hier nicht zündenden Melodien spielen, was dem Werk ebenso viel an Wirkung nimmt.

Mehr als höflicher Applaus ist aus dem Auditorium nicht zu vernehmen.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Aljosa Rebolj