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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
20. Oktober 2012
(Premiere am 11. Dezember 2010)

Theater Kiel


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Märchen mit großen Stimmen

Es ist wie im richtigen Leben. Eine Frau und ein Mann streiten, zwischen ihnen steht verzweifelt ein kleines Mädchen. Urplötzlich reißt zu den Klängen der zu Ende gehenden Ouvertüre der schwarze Hintergrund eines kreisrunden Ausschnittes des Bühnenbildes, in dem die Familie - Sarastro, Königin der Nacht und Pamina - steht. Die Eltern versuchen sich gegenseitig zu übertrumpfen und zerren so lange an dem Mädchen, bis jenes schließlich in den Armen der Mutter liegt. Das Scheitern einer Ehe als erklärendes Vorspiel zu einer Oper voller Kontraste und Mysterien.

Regisseur und Generalintendant Daniel Karasek lässt die wohl bekannteste Oper trotz des negativen Einstiegs als märchenhaftes Singspiel mit komödiantischen Einlagen ablaufen, ohne den tieferen Sinn mit den Reifeprüfungen zu vernachlässigen. Die Figuren sind kontrastreich angelegt. Im Mittelpunkt der feine, aristokratische Tamino, auf der Suche nach der liebreizenden Pamina, dagegen sein Weggefährte Papageno als flippiger liebenswürdiger Chaot, dem die menschlichen Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken am wichtigsten sind. Mit witzigen Gags wie einem Cocktail „Pamina-Colada“ und einer bestellten Pizza für Papageno gewinnt Karasek damit vor allem das jüngere Publikum, ohne zu sehr ins Banale oder Alberne abzudriften. Die Drei Damen als Krankenschwestern im ersten Auftritt sind einfach köstlich. Insgesamt gelingt Karasek ein nachvollziehbarer Kontrast zwischen Licht und Finsternis, dem Kampf der Elemente und der überhöhten Reifeprüfung des zukünftigen Paares Tamino und Pamina sowie der komischen, irdischen Realität von Papageno und Papagena, während Sarastro und die Königin der Nacht das Geschehen mehr von außen zu beeinflussen versuchen. Am Schluss beendet Regisseur Karasek den Abend, wie er ihn begonnen hat: Tamino und Pamina stehen an der gleichen Stelle wie zu Beginn Paminas Eltern, auch hier zerbricht nicht nur der Bühnenhintergrund, sondern auch Ihre Liebe, und auch ihr Kind geht auf die Seite der Mutter. Dazu erklingt in den Schlussakkord das höhnische Gelächter der Königin der Nacht. Ein sicher diskussionswürdiger Regieansatz, der aber den Gesamteindruck nicht nachhaltig trübt.

Lars Peters weißes Bühnenbild, umgeben von mit tausenden von Sternen besetzten Vorhängen, ist detailliert durchgestaltet. Es wandelt sich stetig durch herabfahrende und wieder aufsteigende Elemente sowie die wunderbar abgestimmte Lichtregie von Martin Witzel. Im Mittelpunkt steht eine große weiße Säule mit drei Türen, an denen die Inschriften Natur, Weisheit und Vernunft angebracht sind. Es ist der Eingang zum Tempel Sarastros, zu einer anderen Welt. Während der Reifeprüfungen von Tamino und Pamina werden große Bilderrahmen mit gemalten Feuer- oder Wasserelementen heruntergelassen, was wieder den Märchencharakter der Oper unterstreicht. Die Kostüme von Claudia Spielmann bestechen vor allem durch den optischen Schwarz-Weiß-Kontrast des Chores mit Freimaurer-Insignien bei den Männern. Bei den Hauptfiguren überzeugen sie durch märchenhafte, zeitlose Schnitte und Farben.

Der spanische Dirigent Mariano Rivas leitet das Philharmonische Orchester mit großem Engagement. Schon die Ouvertüre erklingt mächtig und spannungsgeladen, insgesamt ist das Dirigat differenziert, ohne ins Pathetische abzugleiten. Einen ganz starken Abend hat der von David Maiwald vorzüglich einstudierte Chor des Theaters Kiel, der stimmstark und differenziert zu den großen Bereicherungen dieser Aufführung gehört. Eine Zauberflöte mit insgesamt siebzehn Protagonisten in allen Rollen adäquat zu besetzen, ist eine große Herausforderung, was den wenigsten Theatern in dieser Form gelingt. Doch die Oper Kiel verfügt über ein stimmstarkes Ensemble, und so ist diese Wiederaufnahme ein Abend der großen Stimmen.

Der Südkoreaner Yoonki Baek gibt den Tamino mit großer Grandezza und tenoralem Schmelz. Seine Bildnisarie singt er mit schlanker Stimmführung und sicheren und ausdrucksstarken Höhen. Die türkische Sängerin Sen Acar überzeugt als liebreizende und anmutige Pamina mit glockenhellem Sopran und leuchtenden Höhen.

Ulrich Burdack beeindruckt als Sarastro mit kräftigem, sonorem Bass und aristokratischer Ausstrahlung. Seine große Arie In diesen heiligen Hallen gerät zu einem der musikalischen Höhepunkte des Abends. Die chinesische Koloratursopranistin Lini Gong ist kurzfristig an diesem Abend als Königin der Nacht eingesprungen. Ihre beiden großen Arien singt sie technisch brillant, die Koloraturen sind makellos, die Höhen dramatisch und ausdrucksstark, doch insgesamt wirkt ihr Gesang zu technisch, wenig emotional.

Der Star des Abends ist Jörg Sabrowski. Als Papageno kann er nicht nur seinen edlen hohen Bariton wunderbar zur Geltung bringen, sondern auch seinem komödiantischen Talent freien Lauf lassen. Seine Wandlungsfähigkeit in den Rollen - sei es als Telramund im Lohengrin oder als Oberkellner Leopold im Weißen Rössl - ist beeindruckend. Ihm zur Seite lässt die junge Sopranistin Lisa Schmalz als Papagena mit schlanker Stimmführung und leichter Höhe aufhorchen. Herrlich komödiantisch ihr Duett mit zwei Kinderwagen und sechs Puppen als die zukünftigen Papagenos und Papagenas.

Susan Gouthro, Almira Elmadfa und Juliane Harberg geben als die Drei Damen ein stimmsicheres und stimmharmonisches Trio mit großem komödiantischen Spiel. Bogna Bernagiewicz, Annika Jaensch und Marissa Zavazava sind Angehörige des Kinder- und Jugendchores der Oper Kiel, hervorragend einstudiert von Michael Nündel und Ralf Popken, und beeindrucken mit ihren zarten aber in den Höhen sicheren hohen Sopranstimmen als die Drei Knaben. Ihnen gebührt am Schluss der Jubel vor allem des jüngeren Publikums.

Der Tenor Fred Hoffmann gibt den unglücklichen Monostatos mit kräftigen, ausdrucksstarken Höhen und engagiertem Spiel. Hans Georg Ahrens ist ein Erster Priester mit edler Ausstrahlung und seriösem Bass, während David Christian Rohr in der Rolle des Zweiten Priesters als sicherer Charaktertenor reüssiert. Martin Fleitmann und Slaw Koroliuk fügen sich als die Zwei Geharnischten mit voluminöser Stimmführung ohne Abstriche in ein großes und überzeugendes Sängerensemble ein.

Am Schluss ist sich das altersmäßig stark gemischte Publikum in einem leider nur mäßig besetzten Opernhaus in seiner Begeisterung für das Ensemble einig, aus dem vor allem Sabrowski, Baek und Acar und die Drei Knaben mit großem Jubel bedacht werden. Diese Aufführung ist ein gelungener Mix aus märchenhaftem Singspiel mit aktuellen Bezügen und daher gut geeignet, Opernanfänger oder ein junges Publikum an dieses Genre heranzuführen, ohne ein arriviertes Opernpublikum vor den Kopf zu stoßen.

Andreas H. Hölscher

Fotos: Olaf Struck