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Fakten zur Aufführung 

TOSCA
(Giacomo Puccini)
18. August 2012
(Premiere)

Theater Kiel


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Effektvoll in Szene gesetzt

Nun hat auch Kiel sein Open-Air-Spektakel. Nach Jahren der Planung und Überlegungen feiert die Sommeroper Kiel mit der Aufführung von Puccinis Melodramma Tosca in doppelter Hinsicht Premiere. Es ist ein Abend der Effekte für Augen und Ohren. Neben Videoprojektionen kommen Glockenspiel und Pyrotechnik zum Einsatz, und das vor der Kulisse des Kieler Rathauses. Parallel wird die Premiere per Public Viewing in den Kieler Bootshafen live übertragen.

Daniel Karasek, Regisseur und Generalintendant des Theater Kiels, geht keine großen Experimente ein. Im Mittelpunkt der Aufführung stehen die Sänger, die den Abend zu einem großen Ereignis für Kiel gestalten. Karaseks Personenregie ist klassisch angelegt, doch es fehlt im Beziehungsgeflecht der drei Hauptprotagonisten die ultimative Spannung, eine psychologisch dramatische Personenregie ist nicht erkennbar. Toscas flammende Leidenschaft und Eifersucht, Cavaradossis naives Freiheitsdenken und Scarpias von Wahn erzeugte Brutalität und seine Bigotterie kommen in dieser Inszenierung nicht so recht zur Geltung. Raffiniert setzt Karasek auf die emotionale Wirkung von Videoprojektion und Pyrotechnik. So wird das Schlussbild des ersten Aufzuges mit dem Te Deum zum optischen Höhepunkt des Abends. Im Vordergrund stehen der blutrot gekleidete Klerus, in schwarz gewandet das betende Volk dahinter. Scarpias Machtphantasien projizieren sich mit zwei riesigen Händen, die die zarte Tosca wie einen gefangenen Vogel umschließen, auf die Leinwand.

Der Kanonendonner in den Schlussakkorden wird mit Leuchtraketen in den Kieler Abendhimmel geschossen, während Scarpias Schergen die beiden Türme besetzen. Das Schlussbild im dritten Aufzug, wenn Tosca sich von der Engelsburg stürzt, wird als Videoprojektion eindrucksvoll in Szene gesetzt; es ist dasselbe Bild, das bei Toscas großer Arie Vissi d´arte schon wie eine Vorahnung zu sehen ist.

Das Bühnenbild von Norbert Ziermann ist ganz auf die Möglichkeiten einer Open-Air-Veranstaltung ausgelegt. Vor der Kulisse des Kieler Rathauses dominieren ein Gerüstaufbau und eine große Leinwand für die Videoprojektionen das Geschehen. Ein überdimensioniertes Bild, das Cavaradossis Gemälde der Attavanti darstellen soll, schwebt faktisch über dem Bühnenaufbau. Mit wenigen, aber effektvollen Bühnenaccessoires gestaltet Ziermann die Szene. Ein stilisierter Engel an der Seitenbühne symbolisiert die Engelsburg; Kirchenbänke, Taufbecken und eine Grabplatte bilden die Kulisse für die Kirchenszene im ersten Aufzug, die durch eine große Tafel mit Kerzen im zweiten Aufzug ergänzt werden. Die Kostüme von Claudia Spielmann sind klassisch angelegt und bestechen vor allem durch farbliche Kontraste. Für die Videoprojektionen ist Konrad Kästner verantwortlich.

Sängerisch setzt diese Premiere einige Glanzpunkte. Die Turiner Sopranistin Raffaella Angeletti ist die Idealbesetzung für diesen Abend. Hoch dramatisch legt sie die Partie an, mit leuchtenden Höhen und einem warmen Timbre in der Mittellage. Die Phrasierungen zwischen den dramatischen Ausbrüchen und den zarten Piano-Tönen meistert sie fließend ohne Mühe. Ihre Arie Vissi d’arte ist Ausdruck von Pathos und Innigkeit zugleich, das Publikum dankt es ihr mit großem Szenenapplaus.

Der aus Houston stammende Jesus Garcia als Cavaradossi ist ein Belcanto-Tenor, wie man ihn heute nur noch selten hört. Seine schöne Stimme besticht durch ein warmes Timbre und seine leuchtenden und durchdringenden Höhen setzen sich mühelos und ohne Kraftverlust gegen das Fortissimo im Orchester durch. Seine große Arie im dritten Aufzug, E lucevan le stelle, singt er mit großem Gefühl.

Der junge italienische Bariton Elia Fabbian gibt den Scarpia mit viel Engagement und schöner, markanter Stimmführung, doch fehlt ihm in der Ausstrahlung noch das dämonische, brutale Element, um die bigott-perverse Aura dieser Figur zu charakterisieren.

Ulrich Burdack singt den Angelotti mit markantem Bariton. Marek Wojciechowski spielt den Mesner mit komödiantischem Witz, ist aber sängerisch völlig indisponiert. Hier wäre eine Ansage vor der Vorstellung auch im Sinne des Sängers angebracht gewesen. Christian Brüggemann als Spoletta, Slaw Koroliuk als Sciarrone und Alexander Stoyanov als Schließer fügen sich solide in das Gesamtensemble ein. Fabian Geier, Mitglied des Kinder- und Jugendchors des Theater Kiel singt das Hirtensolo im dritten Akt mit hellem Knabensopran, offenbart aber einige Intonationsschwächen, die sicher dem Lampenfieber geschuldet sind.

Das Philharmonische Orchester Kiel unter der musikalischen Leitung seines GMD Georg Fritzsch musiziert in einem Seitenzelt engagiert, doch fehlt etwas die große emotionale Leidenschaft im Klangkörper, die für Puccini so charakteristisch ist. Fritzsch geht mit seinem Dirigat auf Nummer sicher, was aber bei den erschwerten Rahmenbedingungen mit Tontechnik und Monitorübertragung nachvollziehbar ist. Er trägt die Sänger mit unprätentiösem Dirigat und lässt so den Klangköper aus Orchester, Chor und Sängerensemble zu einer musikalischen Einheit werden. Der von Barbara Kler musikalisch sehr gut einstudierte Chor und Kinderchor harmoniert bestens, das Te Deum ist ein musikalischer Höhepunkt.

Zum Schluss ist sich das Publikum in der ausverkauften Kieler Sommeroper einig. Das Projekt Open-Air in Kiel ist gelungen, es gibt großen Jubel für alle Protagonisten des Abends, einschließlich Regieteam. Ein abschließendes kurzes Feuerwerk ist nett, doch eigentlich überflüssig, denn die wichtigen Knalleffekte gibt es schon während der Vorstellung. Nun hat auch Kiel sein Sommerspektakel, und der Erfolg des Premierenabends wird die Verantwortlichen sicher über eine Fortsetzung im kommenden Jahr nachdenken lassen. Die Kieler und ihre Besucher wird es freuen.

Andreas H. Hölscher

Fotos: Olaf Struck