Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

LES TROYENS I & II
(Hector Berlioz)
15. Oktober 2011
(Premiere)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Glanzvoller Saisonstart

Ein bombastisches Werk, voll glühender Musik und durch großen dramaturgischen Aufriss von extremer Wirkung: Les Troyens (Die Trojaner) von Hector Berlioz (1803 – 1869). Das Badische Staatstheater Karlsruhe gönnt sich jetzt zu Beginn der Intendanz Peter Spuhler als  Saisoneröffnung die Aufführung einer zweiteiligen Oper, die zu den größten und anspruchsvollsten der Musikgeschichte gehört. Und besteht diese Feuerprobe, während der Ensemble, Chor und Orchester aufs Äußerste gefordert werden, glanzvoll.

Warum ausgerechnet Karlsruhe? Historisch interessant ist der Befund, dass auch in der Musik die Propheten im eigenen Land oft wenig gelten, und so wurden Les Troyens als komplette Version nicht etwa in Paris, sondern vor genau 121 Jahren in Karlsruhe uraufgeführt. Damals unter Felix Mottl. Jetzt dirigiert Generalmusikdirektor Justin Brown die Badische Staatskapelle, und die Musik entsteht in grandiosen emotionalen Blöcken, die gleichwohl seelische Feinzeichnung beinhalten, denn das Wechselbad der Gefühle hat Berlioz kompositorisch intensiv ausgekostet. Frappierende Raumwirkungen inklusive, denn Fernorchester und geteilte, auf verschiedenen Ebenen platzierte Chöre entfachen ein unglaubliches Klangpanorama. Genau ausgesteuertes Pathos beflügelt die musikalische Sichtweise.

Kurz zum Inhalt: Die Trojaner feiern den vermeintlichen Abzug der Feinde, aber Kassandra wird von seherischen Ängsten verfolgt. Getreu Homers Ilias und Vergils Äneis dringen die Griechen ein, und nur wenigen Trojanern um Äneas gelingt die Flucht. Den treibt es an die afrikanische Küste, wo Königin Dido sich besonders durch Wirtschaftsförderung auszeichnet und ihr Reich in blühende Landschaften verwandelt hat. Die Witwe wollte eigentlich den Männern entsagen, aber Äneas bricht ihr Herz und entschwindet wieder, denn das unerbittliche Schicksal hat ihn dazu berufen, Rom zu gründen. Dido wütet und weint, ihr bleibt nur der Tod.

Regisseur David Hermann und seinem Ausstatter Christof Hetzer gelingen dafür kühne, dingliche, auch zarte Bilder, die Imagination zulassen, Assoziationen fördern und einen großen Sog erzeugen, der mit der genialischen Musik korrespondiert. Am Anfang beherrschen schräg gestellte Sperrelemente die Bühne, eine Art trojanischer Westwall hat ja dem Ansturm der Feinde standgehalten. Kassandra, Christina Niessen mit perfektem Stimmsitz und intensiver Ausstrahlung gesungen, wird für irre gehalten, ihre Liebe zu Choröbus zerbricht. Armin Kolarczyk leiht ihm samtenen Bariton. Der trojanische Held Äneas, Bruder des als Schattenfigur präsenten Hector, ist naturgemäß mit einem Heldentenor besetzt. John Treleaven zeigt große Bühnenpräsenz und erfüllt die hoch gesetzten Erwartungen, einige gesundheitlichen Problemen geschuldete, unsaubere Spitzen eingeschlossen. Der Chor hat schon in diesem Teil Extreme zu bewältigen: der Freudenjubel zuerst, das Grauen danach, wenn das böse Omen um Laokoons Seeschlangen-Tod reflektiert wird. Ulrich Wagner hat Chor und Extrachor glänzend vorbereitet. 

Zweiter Teil, am karthagischen Hof der Dido. Die residiert in einem lichten Ambiente, dessen stilvoll-karges Interieur an japanische Philosophie erinnert. Die junge Amerikanerin Heidi Melton singt diese große Partie mit bestürzend großer Ausdruckspalette zwischen zarter Innigkeit, wähnendem Wüten und explosiver Höhe: attraktiver Gesang und passgenaues Spiel. Im Schlossbild wird seelisches Gefangensein in einer schachtelartigen Enge vorgezeigt und Dido besudelt sich in Schmerz, Trauer, Wut und Hoffnungslosigkeit. In Karlsruhe ist das Blut nicht rot, sondern blau-türkis. Endlich einmal ein bisschen Abwechslung zu den üblichen Stereotypen. Zuvor schon überraschte statt eines Holzpferdes eine Art Luftschiff-Ballon. Die Schwerter blitzen nicht, sondern sind Holzlatten. Und die Boten aus dem dunklen Reich des Todes unterbinden jede Hoffnung auf ein unbelastetes Leben, besonders Hectors Schatten mit dem Bassisten Avtandil Kaspeli.

Im reichhaltigen Personal der antiken Mythologie gefallen unter anderen der prächtige, dunkle Bass von Konstantin Gorny als karthagischer Minister, der feine Tenor von Eleazar Rodriguez als Iopas, die zauberhafte Mezzosopranistin Karine Ohanyan als Anna, Schwester der Dido,   Stefanie Schaefer in der Hosenrolle des Askanius, Bariton Lucas Harbour als Äneas-Freund Panthus, Florian Kontschak mit kernigem Bariton als griechischer Anführer und Sebastian Kohlhepp mit weichen Lyrismen als Matrose.

Das Publikum feiert seine Helden kurz und kräftig, will dann aber nach fünfeinhalb Stunden schnell zur Premierenfeier. Das ambitionierte Unternehmen hat große Erwartungen auf die weitere Arbeit am Haus geweckt.

Eckhard Britsch






 
Fotos: Markus Kaesler/Jochen Klenk