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Fakten zur Aufführung 

DER SIEG VON ZEIT UND WAHRHEIT
(Händel/Barry)
23. Februar 2013
(Premiere am 16. Februar 2013)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


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Schöner schminken

Schon Händel lässt sie aufeinander los, die Tugenden und Untugenden, in seinem OratoriumDer Sieg von Täuschung und Wahrheit, und weil die Musik so schön ist, hat der Zeitgenosse Gerald Barry 1992 ein Kontraststück ähnlichen Namens geschaffen, das in Karlsruhe am Staatstheater als komplementäres Element den Abend fulminant beschließt, doch bei ihm siegen Schönheit und Täuschung als Ebenbild unserer Zeit. Denn wo Händel in barocker Manier Zeit und Wahrheit, Schönheit und Täuschung als Vergnügen um den moralischen Sieg ringen lässt, da knallt Barry die nämliche Geschichte aus dem Heute heraus um die Ohren. Mit extremem Klang-Vokabular, mit heftigster Motorik und vielschichtigem Chaos sowie einem kaum zumutbaren Grenzgängertum für die fünf Gesangsstimmen, denen Akrobatik bis zur Selbstaufgabe zugemutet wird. Und heraus kommt eine schmerzhaft-irre Intensität, die plötzlich den guten alten Händel als betulichen Meister von vorgestern dastehen lässt.

Was indes auch im Dirigat von Richard Baker begründet scheint, denn das Oratorium, in Karlsruhe in der Fassung ohne Chöre auf die von Garderobenspiegeln zum Schönmachen bestückte Bühne gebracht, wirkt im Ablauf der Gesangsnummern schematisch und ohne Funkenflug der Affekte musiziert. Allerdings: Die Regie-Umsetzung von Sam Brown, der die Figuren in der Kostümierung der 1940-er Jahre, mit ironisierter Unkorrektheit vorstellt, klappern die Damen doch irgendwann in normierter Sitzordnung auf Anweisung der Chefs an ihren Schreibmaschinen, fängt das musikalische Einerlei szenisch auf. Dafür sorgt auch Annemarie Woods mit Netzstrümpfen und dem doppelt spiegelnden Bühnenbau, an dem sich trefflich schminken und pudern lässt. Hollywoods Filmwelt lässt grüßen.

Händels Kirchenstück wird zwangsläufig und geschickt personalisiert, auch durch feine Persiflage. „Schönheit“ findet durch Anna Patalong lockenden Unterton, während das „Vergnügen“ im hell timbrierten, schön geführten Tenor von Sebastian Kohlhepp zum Hörvergnügen wird. Da will der Mezzo von Stefanie Schaefer als „Täuschung“ nicht nachstehen; grandios klar und voluminös-rund der Bass von Joshua Bloom als „Zeit“, während die Counterstimme von „Wahrheit“ William Purefoy leicht angestrengt wirkt.

Nach diesem Bouquet angenehmer Arien hetzt Barry die Figuren aufeinander. Joshua Bloom frisst wie Raupe Nimmersatt die Zeit auf, William Purefoy ist wie verwandelt, Gabriel Urrutia Benet zeigt „Täuschung“ als changierende Mann-Frau-Figur mit kernigem Bariton; Counter Iestyn Morris hat am „Vergnügen“ helle Freude, Tenor Peter Tantsits seinerseits an der „Schönheit“. Das Orchester ist hellwach mit einer anstrengenden Partitur, die aber ihre Realisierung lohnt.

Herzlicher Beifall für den in Englisch gesungenen Knüller der Händel-Festspiele Karlsruhe.

Eckhard Britsch





Fotos: Falk von Traubenberg