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Fakten zur Aufführung 

RITTER BLAUBART
(Jacques Offenbach)
20. Dezember 2011
(Premiere am 17. Dezember 2011)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


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Den Zeitgeist seziert

Rückblende, etwa 150 Jahre zuvor: Frankreich hat wieder einmal einen Kaiser, der heißt sogar Napoleon; die Kolonien werfen ordentlich Rendite ab, das Finanzwesen blüht, Paris entsteht mit Prachtschneisen neu, totale Aufbruchstimmung und entsprechender Konsumrausch erfassen die Leute. Hedonismus ist angesagt und Opportunismus noch mehr. Bürger prahlen, Frauen sind wunderschön, und ein Machtmensch wird bewundert. Ritter Blaubart ist so einer, denn er hat eine Armee im Rücken, um die Schönheit seiner Begierde zu erobern, zumal die Verweildauer seiner Ehefrauen immer kürzer wird.

Jacques Offenbach hat mit seiner 1866 uraufgeführten Operette Ritter Blaubart ein raffiniertes Sujet frech umgemünzt. Wer die Karlsruher Umsetzung in der Inszenierung von Aron Stiehl gesehen und gehört hat, fragt sich unwillkürlich, warum das tolle Ding nicht öfter auf der Bühne herumtobt. Denn am dortigen Staatstheater gelingt das Kunststück, satirischen Überschwang mit hoher Kunstfertigkeit zu verbinden und aus der Persiflage tiefere Bedeutung zu entwickeln. Offenbach und Librettist Carsten Goldbeck, der Text ist nach Meilhac und Halévy aktualisiert, legen ein Lehrstück über menschliche Macken und zynische Selbstsucht vor.

Schüchterner Schäfer und zielstrebige Blumenfachverkäuferin könnten zusammen kommen, sie umkreisen sich auf der Alm mit süßen kleinen Hütten; schelmisch hat Jürgen Kirner die Bühne ausstaffiert. und Kostümbildnerin Franziska Jacobsen ironisiert im Verlauf des dreistündigen Abends das Thema „Kleider machen Leute“. Das strahlt alles größten Charme aus, auch wenn der mit musikalischem Radau inszenierte Grusel einige Schauer über den Rücken laufen lässt. Aber der Blaubart-Adlatus Popolani zersägt die Frauen nicht wirklich, und des Königs Minister Oscar bringt die vermeintlichen Nebenbuhler auch nicht um die Ecke. Am Ende krabbeln sie fröhlich aus ihren Verstecken und der Wirbel geht gut aus. Ja, wie in der wirklichen Operette, aber gerade Tempo und Spott offenbaren eine große Qualität des Stücks: Der Zeitgeist wird seziert und in seiner Hohlheit mit all dem Getue sogar böse kommentiert.

Die musikalische Umsetzung liegt bei Markus Bieringer, der auch als Priester die anfängliche Totenfeier mit würdiger Geste begleitet, in guten Händen, spielt doch die Badische Staatskapelle angemessen spritzig auf. Die vielen Figuren sind mit großer Spielfreude und sängerisch untadelig dabei. Ina Schlingensiepen gibt der Floristin und Prinzessin attraktive Ausstrahlung, Max Friedrich Schäffer zeigt den Schäfer und Prinz Saphir als lyrisch-sehnsüchtigen Naivling. Ritter Blaubart wird von Klaus Schneider mit stabilem Tenor als egomaner Lüstling vorgeführt, während die mannstolle Boulotte in Stefanie Schaefer einen Mezzo mit Ausstrahlung findet. So eine persiflierende Charakterstudie, wie sie Matthias Wohlbrecht dem König Bobêche unterlegt, findet man selten auf diesem Niveau, und seine dem Alkohol verfallene Gattin Clémentine stellt Katharine Tier auf Etikette bewusst  dar. Sehr präsent sind auch Edward Gauntt mit zupackendem Bariton als Popolani und Andrew Finden als Höfling Oscar.

Die Aufführung erhält das Prädikat sehens- und hörenswert. Das Publikum war sehr angetan, einige verließen allerdings schon zur Pause, des Schwankes müde, den Saal. Selbst schuld.     

Eckhard Britsch



Fotos: Markus Kaesler,
Falk von Traubenberg