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Fakten zur Aufführung 

RIGOLETTO
(Giuseppe Verdi)
6. November 2011
(Premiere)

Staatstheater Karlsruhe


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Wo Würde verloren geht

Diese Inszenierung, vor zwei Jahren schon auf die Verhältnisse des Heidelberger Opernzelts zugeschnitten, hat jetzt in neuem Gewand am Staatstheater Karlsruhe noch an Attraktivität  gewonnen. Denn Regisseur Jim Lucassen zeigt mit Verdis Oper Rigoletto zeitlose Mechanismen menschlicher Würdelosigkeit. Er gönnt einen quasi voyeuristischen, sezierenden Blick auf Charaktere, und zwingt so das Publikum, in Abgründe zu schauen. Da treibt der Machthaber, Herzog von Mantua, ungeniert sein Unwesen, denn er spielt den Weiberhelden, und welche nicht willig, die nimmt er mit Gewalt.  Das wird ihm leicht gemacht, denn erstens umgibt ihn die Aura ungezügelter Macht und macht ihn dadurch attraktiv, und zweitens ist er   von einer Speichellecker-Horde umgeben, die von seinem Frauenkonsum profitiert.

Dazwischen Rigoletto, der arme Kerl, der den Hofnarren spielt, um seine Wut zu verdecken. Voller Verzweiflung versucht er, sein Töchterchen Gilda von allen Umtrieben fernzuhalten. Doch der erste feurige Blick, der das unschuldige Mädchen trifft, wird ihr Herz entflammen und zur Katastrophe führen. Eine zeitlose Geschichte von gebrochenem Herzen, von Enttäuschung, von Glaube, Liebe, Hoffnung – und von bodenloser Torheit.

In den großzügigen Bühnenmaßen des Staatstheaters Karlsruhe wirkt der kühle Bühnenraum des verstorbenen Ausstatters Jeroen van Eck noch suggestiver. Ein kalter Büroraum oder Wartezimmer, von Lamellen-Gardinen eingefasst, die sich öffnen lassen zu kargen Schachtel-Räumen. Die naive Gilda lümmelt in Schulmädchen-Manier auf dem Bett; für den Herzog öffnet sich eine Bordell-Show, er und seine anbiedernden Jungs können und wollen sich bedienen, der Laufsteg aber ist auch Schönheitswettbewerb, denn weibliche Gefallsucht wird gekitzelt. Oben öffnet sich eine Galerie, von der aus bittere oder freche Blicke aufs Geschehen geworfen werden. Es ist eine böse Welt, die sich enthüllt, damit das Schicksal hin zum Operntod seinen Lauf nimmt.

Gesungen wird ganz ausgezeichnet. Die Titelfigur Rigoletto deutet Jaco Venter, der zuvor am Nationaltheater Mannheim engagiert war, in grandioser Manier. Ein Charakterbariton, der am Premierenabend auch noch Geburtstagskind ist, gibt der Figur faszinierende Intensität.  Darstellerische Kraft und attraktives Timbre kommen zusammen für die Verkörperung dieses zwiespältigen, in sich selbst gefangenen Charakters. Gilda wird von Ina Schlingensiepen als unbedarftes, liebenswertes Mädchen gezeigt, das zwangsläufig dem Bösewicht verfällt. Denn der verspürt tatsächlich so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Die Sopranistin bietet perfekte Stimmführung, sichere Höhen, fein ziselierte Koloraturen und lyrische Zwischentöne. Als Herzog von Mantua hat Andrea Shin viel zu bieten, was von einem Tenor erwartet wird, der über strahlende Spitzentöne hinaus mit Farben und Nuancen für sich einnimmt. Böse und charmant, kalt und zuneigend, kurzum ein schillernder Unmensch, dem die Machtposition alles zu erlauben scheint.

Der tiefe, runde Bass von Konstantin Gorny wird in der Rolle des gedungenen Mörders Sparafucile gefeiert, Edward Gaunitt profiliert einen wütend-verzweifelten Graf Monterone, und die kleineren Partien sind aus dem Ensemble heraus sehr gut besetzt: Stefanie Schaefer als Maddalena, Katharine Trier als Giovanna sowie Andrew Finden als Marullo, Eleazar Rodriguez als Borsa, Alexander de Paula als Graf Ceprano und schließlich Tiny Peters in der Partie der Gräfin Ceprano. Der Chor in der Einstudierung von Ulrich Wagner  ist ebenso standfest wie beweglich in der klanglichen Mimik, und die Badische Staatskapelle spielt sich mit hitzigem Feuer, genau kalkulierter Biegsamkeit und besten Abstufungen in ein berückendes und suggestives Verdi-Erleben hinein: Kapellmeister Johannes Willig ist am Haus der Mann fürs italienische Idiom.

Das Premierenpublikum war über die musikalische Darstellung begeistert und in der Bewertung der Inszenierung gespalten, einschließlich heftiger Buh-Rufe.

Eckhard Britsch






 
Fotos: Jochen Klenk