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Fakten zur Aufführung 

RICCARDO PRIMO
(Georg Friedrich Händel)
21. Februar 2014
(Premiere)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


Points of Honor                      

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Ein Fest der Sinne

Das ist schon toll, wie über eine wunderschöne Ästhetik von Bild und Szene ein ziemlich schräges Libretto vergessen werden darf. Georg Friedrich Händel hat mit seiner Oper Riccardo Primo, 1727 uraufgeführt, eine Kreuzfahrergeschichte auf die Bühne gebracht. Richard Löwenherz strandet während eines Kreuzzugs an zyprischen Gestaden. Dort soll er seine Braut Costanza freien, die ebenfalls Schiffbruch erlitten hat und jetzt vom dortigen Herrscher Isacio heftigst begehrt wird. Knackpunkt allerdings: Der Engländer kennt seine Braut aus Navarra nur von Erzählungen. Doch in seinem Kopf ist deren Bildnis so bezaubernd schön, dass nur diese eine in Frage kommt. Dabei würde ihm Isacio das tugendhafte Töchterchen Pulcheria anvertrauen. O je, da ist guter Rat teuer. Außerdem spielen noch Berardo, Costanzas Vetter, und ein Oronte, Fürst von Syrien und Pulcheria auf Gegenseitigkeit zugetan, wichtige Rollen im Durcheinander, das bis zur glückhaften Vereinigung über vier Stunden dauert. Dazwischen ist viel von Verrätern, Rache, Blut, Ruchlosigkeit und Tapferkeit die Rede.

Sehen wir das pragmatisch: Herrn Händel war ziemlich jeder Text recht, wenn er sich nur in Arien fassen ließ. Von denen gibt es reichlich. Franco Fagioli, der wunderbare Altus und in Karlsruhe immer wieder heftig gefeierter Star, hat allein neun davon und lässt seine Koloraturen farbig und geschliffen blühen und blitzen. Doch auch Emily Hindrichs hat als Costanza viel zu tun, ebenfalls neun Arien plus das wunderschöne Duett T'amo, sì mit Fagioli im zweiten Akt, das an innigstem Ausdruck kaum zu übertreffen ist. Emily Hindrichs ist ohnedies die Entdeckung des Abends. Zarte, unschuldige Aura, blendende Erscheinung und perfekt nuancierte Gesangsphrasen zeichnen diese junge Sopranistin aus. Auch Claire Lefilliâtre hält da als Pulcheria mit, denn ihre sieben Arien gefallen in der Mezzo-Timbrierung ausgezeichnet. Bariton Andrew Finden als Berardo, Counter Nicholas Tamagna als Oronte und Bassist Lisandro Abadie als Isacio verfügen über adäquate Ausstrahlung.

Was macht diese Produktion zur Eröffnung der Händel-Festspiele festspielwürdig? Es ist das Fest der Sinne, das die hoch ästhetisch ausgerichtete Inszenierung anrichtet. Regisseur Benjamin Lazar, der Franzose betreut erstmals in Deutschland eine Produktion, hat mit und für seine Sänger-Darsteller das gestische Repertoire der Barockoper wieder entdeckt. Die Bewegungen fast in Zeitlupe, die Gesten so vielfältig und stimmig, dass jeder Schritt und jede Bewegung zum Erlebnis wird. Alain Blanchot hat opulente Kostüme mit edlen Stoffen entworfen, die barocke Gemälde zitieren, auch an Renaissancebilder erinnern. Im Halbdämmer mit einigem Kerzenlicht entsteht eine ganz eigene Atmosphäre, in der weibliche Grazie und Anmut mit männlicher Künstlichkeit kontrastieren. Das alles geschieht vor verschiebbaren und immer wieder neu kombinierbaren Mauerelementen von Adeline Caron, die dem 12. Jahrhundert während der Kreuzzüge entlehnt scheinen und gleichwohl mit spielerischer Ironisierung arbeiten.

Ein tadelloses Orchester gibt es natürlich auch noch: Michael Hofstätter leitet die Deutschen Händel-Solisten auf historischen Instrumenten mit dem entsprechenden Idiom. Einige Male hätte man sich vielleicht noch etwas mehr Kontraste in der musikalischen Darstellung gewünscht.

Das Premierenpublikum ist begeistert.

Eckhard Britsch







Fotos: Falk von Traubenberg