Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

PETER GRIMES
(Benjamin Britten)
6. Juli 2013
(Premiere)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Das Meer ist unbarmherzig

Der Begriff „Schiffsjunge“ ist in der christlichen Seefahrt geläufig, auch wenn es dort mitunter weniger christlich zugeht. Peter Grimes, ein Fischer, braucht für sein Handwerk ein Bürschlein, das ihm zur Hand geht. Ein Waisenhaus liefert solche Mitarbeiter preiswert. Ein legales Geschäft also, aber kein legitimes. Sogar die Dorfgemeinschaft, an harte Lebensbedingungen gewöhnt, stellt sich gegen den Fischer, als diesem ein Schiffsjunge abhanden kommt.

Ein Unfall, konstatiert die Untersuchungskommission, doch Zweifel bleiben, und Grimes, diese zerrissene Persönlichkeit, wird noch mehr zum Außenseiter. Das Badische Staatstheater Karlsruhe zeigt in der Inszenierung von Christopher Alden sehr einsichtig diese Verklammerung von innerer Qual und gesellschaftlicher Einflussnahme bis hin zur Pogromstimmung, der sich Grimes nur noch per Flucht ins Meer entziehen kann. Alden flicht hier die BUF-Bewegung von Oswald Mosley ein, die mit faschistischen Einfachantworten auf soziale Schieflagen in Großbritannien vor dem zweiten Weltkrieg einigen Einfluss gewann.

Das Bühnenbild von Charles Edwards unterstützt diese Sicht durch einen großzügigen Bühnenraum. Hier findet die Armenspeisung ebenso statt, denn die Dorfbevölkerung in England um 1938 erlebt Armut, was auch in den Kostümen von Doey Lüthy nicht grobschlächtig, sondern mit dezentem Geschmack angedeutet wird. Naturkatastrophen durch Sturm und Überschwemmung? Der Raum wird zur Notunterkunft und lässt unmittelbare Assoziationen zu so genannten Jahrhundertüberschwemmungen in unseren Tagen zu. Parallel aber fokussiert er den Blick auf den Außenseiter Peter Grimes, wenn der vereinsamt am Tisch sitzt und von Wutattacken überwältigt wird. Gleichzeitig hofft er auf privates Glück durch Wohlstand. Ein neuer Schiffsjunge muss her, Grimes schlägt alle Warnungen in den Wind. Die Katastrophe folgt unausweichlich.

In der musikalischen Darstellung von Justin Brown mit der ausgezeichneten Badischen Staatskapelle verdichtet sich das Drama unaufhaltsam. Brown dirigiert punktgenau, entwirft großartige Klangbilder, in die der riesige Chor bestens eingebettet wird, und intime Szenen gerade in der Begegnung von Grimes mit der Dorflehrerin, die ihm beistehen möchte und dennoch an seiner unzugänglichen Art scheitert. In der Titelpartie glänzt darstellerisch und mit wuchtigem Tenor John Treleaven, der Grimes-Spezialist des letzten Jahrzehnts. Ihm zur Seite Heidi Melton als Lehrerin Ellen Orford; ihr Sopran spricht gut an, ist immer präsent und setzt Akzente berückender Schönheit. Stellvertretend für die vielen aus dem Ensemble sehr gut besetzten Figuren seien hier noch Jaco Venter als pensionierter Kapitän, Suzanne McLeod, eine Wirtin, dann Katharine Tier, eine nach Laudanum und Liebe lechzende Witwe, sowie Gabriel Urrutia Benet als windiger Apotheker genannt. Und natürlich der kleine Lino Weber in der stummen, gleichwohl sehr aussagekräftigen Rolle eines bedauernswerten Schiffsjungen.

Die Premiere zum Britten-Gedenkjahr stößt, von einigen spielerischen Buh-Rufen abgesehen, auf begeisterte Zustimmung beim Publikum.

Eckhard Britsch

Fotos: Jochen Klenk