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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner )
6. April 2012
(Premiere am 1. April 2012)

Staatstheater Karlsruhe


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Pappkameraden unter sich

Woher und wohin? Diese Fragen kann auch Reinhild Hoffmann mit ihrer Lohengrin-Inszenierung am Staatstheater Karlsruhe nicht schlüssig beantworten, weil sie schlicht nicht beantwortbar sind. Denn das Mit- oder Gegeneinander von Märchenwelt und realer Handlung entzieht sich einer stringenten Zusammenschau. Womit die Tür geöffnet wird für allerlei Versatzstücke, die einer Szene aufhelfen, die in sich den Keim der Unentschlossenheit birgt.

Das aber wird optisch gut serviert und weckt Neugierde. Reinhild Hoffmann zeigt, dass wir von Pappkameraden umgeben sind, wenn Lohengrin als Seiltänzer-Figur   von oben schräg über den Bühnenhimmel gezogen wird. Mut und Gefährdung werden suggeriert, derweil König Heinrich Gerichtstag abhält und auch dort ein überdimensionaler Pappkamerad mit Schild und Schwert als Symbol für Recht und Ordnung zur Tribüne gezerrt wird, wo das erwartungsvolle Volk ein Event-Schauspiel erhofft. Das ist hübsch gemacht, wie überhaupt die Bühne von Hartmut Meyer für sich einnimmt, auf der die von Emily Laumanns kostümierten Figuren in Straßenanzügen oder signifikanten optischen Anreizen daherkommen. Lohengrin tritt im Fechtanzug an, und sein Knappe, der verwunschene Bruder Elsas, Gottfried, hat ebenfalls die Fechtmaske übers Gesicht gezogen.

Das wirkt ebenso griffig wie letztlich ratlos nach dem Motto, was mit dieser großen „romantischen Oper“ nun anzustellen ist. Die Geschichte sauber nacherzählen und dabei einige Lockerungsübungen einstreuen, scheint die Devise. Ein olympischer Fackelträger umkreist zwischendurch die Bühne, das  Siegerpodest lädt zum Posieren ein, und einige Typen, die mit Absperrgittern hantieren, schlagen Purzelbäume. Lockerungsübungen, um zum Kern vorzudringen, jener finalen Situation der Gralserzählung.

Musikalisch ist der Abend überragend, denn GMD Justin Brown entwickelt aus analytischem Blick heraus einen wunderbar pulsierenden Atem, dessen Konzentration gemeinsam mit der souverän agierenden Badischen Staatskapelle  nie nachlässt, treibt und trägt. Prächtig auch der von Ulrich Wagner vorbereitete, riesige Chor mit Extrachor. Sängerisch hingegen gibt es Abstriche. Nicht in Bestform tritt Lance Ryan als Lohengrin an, denn sein jugendlicher Heldentenor wirkt in eingeengter Helle, unruhig in den Registern, und Geschmeidigkeit wird durch Kraft ersetzt. Das Karlsruher Publikum, das er oft verwöhnt hat, ist dann auch leicht unzufrieden mit ihm.

Heidi Melton verkörpert, auch im Wortsinne, die „klassische“ Elsa und setzt einen Sopran ein, der Durchschlagskraft mit sehr schönen Passagen paart, allerdings in einigen herausgeschmetterten Spitzen zu viel des Guten tut. Eine Idealbesetzung wäre Susan Anthony als abgründige Ortrud, denn ihr Spiel zeigt die Dämonie, die eine attraktive Frau durch Sexappeal ausüben kann, und ihren dramatischen Sopran führt sie außerordentlich attraktiv, wären da nicht Ermüdungserscheinungen im letzten Aufzug. Ökonomie müssen alle Wagner-Sänger lernen. Einen großartigen Telramund bietet Jaco Venter darstellerisch und sängerisch, weil sein Bariton alle Facetten dieser Figur ausleuchtet. Und Heinrich der Vogler: In der besuchten Zweitpremiere hat Renatus Meszar wegen Erkältung nur spielen können, dafür leiht ihm der an der Oper Stuttgart wirkende Attila Jun eine große Bass-Stimme, die keine Wünsche offen lässt; sauber die Heerrufer-Gestaltung durch Seung-Gi Jung.

Das Publikum, in der Premiere noch voller Buh-Zorn für die Inszenierung, ist damit am Karfreitagsabend durchaus zufrieden, denn viel auszusetzen ist an Reinhild Hoffmanns Sicht nichts, es sei denn, dass man sie für oberflächlich hält. Aber irgendwie hat sie Recht, denn die Welt besteht nun mal aus Pappkameraden. 

Eckhard Britsch







Fotos: Jochen Klenk