|
Spirituelles Flair
Die Kölner Oper wählt für die lange Restaurierungsphase des Riphahn-Gebäudes am Offenbachplatz adäquat spektakuläre Spielstätten. Der konzertante Parsifal gastiert in der Philharmonie – auch schon 25 Jahre alt, aber als akustisch perfektes und kommunikativ reizvolles Ambiente erprobt als Ort konzertanter Opern – und nutzt die so animierende Architektur des variablen Konzertsaals: Da stehen Sänger nicht an der Rampe, sondern haben quasi szenische Auftritte auf einem umlaufenden Gang hinter dem Orchester; da werden Chöre auf den Balkonen positioniert; da gibt es Klänge aus dem Backstage-Bereich. Es entstehen nahezu sphärische Assoziationen der üblichen „Bühnenmusik“ – die das Geschehen im Orchester und der kommunizierenden Solisten ins Spirituelle überhöhen. (Programmheft und Besetzungszettel verraten leider nicht, wer für diese kreativen Einfälle verantwortlich ist.)
Evelyn Herlitzius gibt der Kundry ungemein erotisch-mitleidenden Appeal, setzt ihre so wunderbar dramatische Stimme interpretierend ein. Samuel Youn beeindruckt als aggressiver Klingsor mit klarer, stabiler Intonation. Franz Mazura verleiht dem sterbenden Titurel resignativ-entsagenden Klang.
Robert Holl ist ein überzeugend sonorer Gurnemanz, mit elementarer Kraft und staunenswertem „Stehvermögen“.
Franz Grundhebers Amfortas verleiht dem „Leidensmann“ variabel-emotionalen Duktus – mit seinem nachhaltigen Timbre vermag er existenzielle Bedrohungen zu vermitteln.
Marco Jentzsch wirkt als „reiner Tor“ stimmlich jugendlich – vermeidet heldentenorale Ausbrüche und singt mit klarer Stimme ohne Probleme in den geforderten Lagen.
Die Rollen der Gralsritter, Knappen und Blumenmädchen sind zu großen Teilen mit Mitgliedern des Internationalen Opernstudios Köln besetzt: Da präsentiert sich ein Nachwuchs, der eine gloriose Zukunft der Kölner Oper verspricht!
Der differenziert auftretende Chor der Oper Köln (Leitung Andrew Ollifant) bestätigt seinen exzellenten Ruf – bestimmt mit perfekter Konsonanz den Impetus der Aufführung!
Dem Gürzenich-Orchester mit einem umsichtig dirigierenden Markus Stenz unterlaufen immer wieder winzige „Patzer“ bei den Einsätzen, beim Zusammenspiel in den Instrumentengruppen – der Klang wechselt zwischen geradezu magischen Momenten der Streicher und spiritualisierender Imagination bei Oboen, Flöten sowie bewusst kontrastierendem Blech und Schlagzeug sowie eigentümlichen Phasen leidenschaftsloser Unkonzentriertheit; es fehlt offenbar an der vorbehaltlos-kompetenten Hingabe an eine gemeinsam begriffene „Idee“!
In der nicht ausverkauften Philharmonie herrscht im offenbar mehrheitlich kundigen Publikum konzentrierte Aufmerksamkeit – am Ende enthusiastischer Applaus (Einige applaudieren stehend) – die Zustimmung ist groß, die spirituelle Leidenschaft im Finale hat hingerissen: Wagners Ingenium siegt!
Franz R. Stuke
|
|