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Fakten zur Aufführung 

AUFSTIEG UND FALL DER STADT MAHAGONNY
(Kurt Weill/Bert Brecht)
23. März 2011 (Premiere)

Oper Köln


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Braves Lehrstück für Eingeweihte

Brechts und Weills Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny hat es zu allen Zeiten schwer gehabt auf der Bühne. Zu sehr unterscheiden sich die Zielvorstellungen von Textdichter und Komponist: hier aufklärerisches Lehrstück mit sardonischem Humor, dort gehobene Unterhaltungsoper mit sozialkritischem Touch.

Die Kölner Aufführung beginnt verheißungsvoll. Die Bühne ist ein ausgetrockneter See, eine Wüste, voll mit Zivilisationsmüll. Ein Pick-up-Oldtimer verreckt, drei groteske Gestalten springen heraus, gesuchte Kriminelle, wie wir erfahren. Es macht Spaß ihnen zuzusehen. Sie können nicht vorwärts und nicht zurück. Sie entschließen sich zu bleiben und eine Stadt zu bauen, wo man für Geld alles kaufen kann, denn: „Alles zu dürfen, das ist der Sinn des Geldes.“

Nach dieser ersten Szene versiegt der Energiestrom. Die Stadt wächst nicht. Ein paar Zeltplanen werden aufgehängt. Der Chor tröpfelt herein. Irgendwann sitzen alle in Liegestühlen wie in einer x-beliebigen Strandbar. Alle musikalischen Energieimpulse wie der Evergreen „Moon of Alabama“ oder das Holzfällerquartett werden – auch noch akustisch ungünstig – vor die halbhohe Brechtgardine verbannt und können so für das Geschehen nicht produktiv werden.

Auch aus dem Graben kommt kein Feuer. Das durch Jazz-affine Gäste ergänzte Gürzenichorchester musiziert durchaus mit Charme und Delikatesse, aber Lothar Koenigs gibt sehr zähe Tempi vor und bleibt merkwürdig zurückhaltend im Ausdruck. Es springt einem einfach nichts ins Gesicht.

Dies gilt in noch stärkerem Maße für die Arbeit der Regisseurin Katharina Thalbach. Sie deutet die Handlung eher an, bezieht kaum Stellung, rückt auch die heute relevanten Themen – etwa die Macht des Geldes – nicht ins Zentrum. Thalbach kapriziert sich ganz auf Erklärungen und Illustrationen. Wenn etwa vom „Hurrican“ die Rede ist, blitzt es auf der Bühne, kleine Plastikteile fliegen durch die Luft und auf Großleinwänden wütet der japanische Tsunami. So verkommt Mahagonny zum braven Lehrstück für Eingeweihte.

Mitten im „Hurrican“ ist Pause. Danach ist die Stadt, in der jetzt wirklich alles erlaubt sein soll, ein aufgeschnittenes Schiffswrack. Es wird schattengeboxt, es gibt Kopulation als Schattenspiel und es wird aus leeren Flaschen getrunken. Als der Holzfäller Jim Mahoney seinen Whiskey nicht mehr bezahlen kann, wird er von einem weiß gekleideten Mann mit gelben Handschuhen (wer ist das?) geschlagen, eingesperrt, abgeurteilt und hingerichtet. Alle halten sich an der Reling fest und starren traurig ins Publikum: Warum haben sie ihn denn umgebracht? Auch hier wieder: Melancholie statt fröhlichem Fatalismus, zahnlose Elegie statt beißender Satire. Schade!

Bleiben die Sänger. Wunderbar schmierig im Spiel und prägnant im Gesang begeistern Dalia Schaechter (Leokadia Begbick) und Martin Koch (Fatty). Dennis Wilgenhof (Dreieinigkeitsmoses) fällt im Trio der kriminellen Stadtgründer etwas ab. Matthias Klink, der einzige Gastsänger, singt den Jim Mahoney opernhaft schön, aber mit viel Gespür für Brechts Texte. Alle Nebendarsteller und der Chor (Andrew Ollivant) agieren auf gutem bis sehr gutem Niveau. Regina Richter schließlich schafft es, von der Regie weitestgehend links liegen gelassen, nach etwas nervösem Beginn, Mahoneys Geliebter Jenny sängerisch Kontur und höchstes Niveau zu verleihen. Ihr großes Solo im zweiten Akt „Denn wie man sich bettet, so liegt man“ ist der absolute Höhepunkt dieses leider nicht sehr erfreulichen Theaterabends.

Andreas Falentin

 







Foto: Paul Leclaire