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Fakten zur Aufführung 

JERUSALÉM
(Giuseppe Verdi)
6. Juni 2011

Jerusalem, Israeli Opera Festival


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Eroberung mit Kollateralschäden

Außer in Masada präsentierte sich das Israeli Opera Festival in diesem Jahr auch in der Heiligen Stadt Jerusalem mit mehreren Konzerten und der groß angekündigten Erstaufführung von Verdis Kreuzzugs-Oper Jerusalém, der überarbeiteten französischen Fassung seiner Lombardi. Mit dem ehemaligen Wasserreservoire „Sultansteich“ vor der mächtigen Stadtmauer gibt es mitten im Zentrum ein ideales Gelände für Großveranstaltungen unter freiem Himmel. Dort war schon zur Eröffnung des Festivals am 2. Juni ein Gala-Konzert mit Solisten und dem Orchester der Arena di Verona zu erleben, gefolgt von über zehn Konzerten mit Vokal- und Kammermusik in verschiedenen Jerusalemer Kirchen am nächsten Tag. Die Krönung des Programms sollte die halbszenische Erstaufführung der selten gespielten Verdi-Oper vor rund 5000 Zuschauern werden.

Der vierte Akt dieser Oper über Liebe und Eifersucht am Hofe des Grafen von Toulouse vor dem historischen Hintergrund des ersten Kreuzzuges spielt im Lager vor den Mauern Jerusalems. Genau dort befindet man sich heute im Sultansteich, das Jaffa-Tor und die neue Mamilla-Einkaufsstraße sind in unmittelbarer Nähe, außerdem geht die stark befahrene Ringstraße um die Altstadt direkt daran vorbei. Nicht der ruhigste Ort für klassische Musik, doch eine gigantische Lautsprecheranlage beschallt das Areal, sodass Autohupen und Megafon-Rufe nur in den wenigen Pianostellen die Ohren erreichen – und natürlich stören.

Ein leichtes Unbehagen, dass hier ein Werk gespielt wird, das voller Pathos christlichen Eroberungsgeist glorifiziert, mag sich bei manchem Zuschauer einstellen, obwohl die Handvoll rechter Demonstranten am Eingang von israelischer Seite belächelt werden.

Auf der mit antiken Säulen umrahmten Bühne von Bambi Friedmann bildet eine sandsteinerne Kirchenwand mit Rosette den Prospekt, der durch Videoprojektionen von Shay Bonder nach anfänglichen Verwackelungen im Verlauf der Akte zur Steinwüste, zum Hofe des Emirs von Ramallah und zum Kampfplatz reitender Ritter wird. Feuersbrunst und einstürzende Mauern in Computerspiel-Optik fehlen ebenfalls nicht. Auf der Bühne gibt es dafür eher wenig Bewegung, da das Jerusalem Symphony Orchestra und der Chor der Transsilvanischen Philharmonie schon darauf Platz genommen haben. Auf einer Laufsteg-Konstruktion treten die Solisten in historischen Kostümen von Moni Mednik auf, wie man sie bei uns seit den Siebziger Jahren nicht mehr gesehen haben dürfte.

Dessen ungeachtet beglücken die Solisten mit erfreulichem Niveau, es wird voller Hingabe musiziert und David Stern spannt durch geschickte Striche und zügige Tempi einen tragfähigen musikalischen Bogen über die dreistündige Aufführung.

Herausragend die Sopranistin Ira Bertman in der Rolle der Hélène, die mühelos alle Facetten ihrer Partie mit rundem, strahlendem Ton ausleuchtet. Ihr Partner Scott Piper als Gaston überzeugt ebenfalls mit jugendlich–heldischem Tenor und auch Davide Damianis Graf von Toulouse hat hohes Format. Lediglich Kurt Rydl als Bösewicht Roger übernimmt sich und wird in der Pause als indisponiert, aber tapfer weiter singend entschuldigt.

Es ist erklärtes Ziel der Veranstalter, durch die Großproduktionen dieses Festivals neue Publikumsschichten zu erschließen und möglichst viele Leute erstmals mit Oper in Berührung zu bringen. Neben zahlreichen Touristen und Opernfans sind tatsächlich auf den billigen Plätzen auch junge Leute zu sehen, die in der kühlen Brise frösteln und sich eifrig bemühen, der Handlung zu folgen oder sich im dröhnend verstärkten Verdischen Dreiertakt wiegen. Insofern hat diese Erstaufführung sicherlich neben der ehrenvollen Wiederbelebung eines halb vergessenen Werkes ein wichtiges Ziel erreicht.

Ingrid Franz