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Fakten zur Aufführung 

LA CLEMENZA DI TITO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
7. August 2013
(Premiere)

Innsbrucker Festspiele für Alte Musik, Tiroler Landestheater


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Ein „Gutmensch“ von unendlicher Güte und Milde

Zwischen den Extremen größter Bewunderung und dem Ruf der Unaufführbarkeit schwanken die Meinungen über La clemenza di Tito. Und keine der großen Opern von Wolfgang Amadeus Mozart erzeugt, was Interpretation und Wertung betrifft, heute wie damals ähnlich große Probleme wie dieses Spätwerk. Denn das im Auftrag der böhmischen Stände als Krönungsoper zu Ehren Kaiser Leopolds II im Todesjahr des Salzburger Meisters 1791 in Prag uraufgeführte Werk gilt als szenisch schwer belebbar. Deshalb ist bei diesem psychologischen Kammerspiel, bei dem es um die unermessliche, eigentlich nicht mehr nachvollziehbare, alles verzeihende Güte des römischen Kaiser Titus Vespasianus geht, ein hohes Maß an Fähigkeiten der Interpreten gefordert, um es wirkungsvoll auf die Bühne zu stellen.

Dieses Problem ist dem Operndirektor der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik, Christian von Bernuth, offenbar voll bewusst, weshalb er beschlossen hat, sicherheitshalber gleich selbst Hand ans Werk zu legen. Wie rückt er nun der letzten Oper Mozarts, der Eröffnungsproduktion des Festivals für Alte Musik zu Leibe? Er legt seine Konzeption in der Zeitlosigkeit an, denn die Inhalte dieser Opera seria, in der Mozart nochmals auf den Aufbau und die Formen der Barockoper zurückgreift, sind ja auch zeitlos. Es geht um die Besessenheit von Macht, um sexuelle Hörigkeit, Intrigen, aber auch um eine nach heutigen wie auch damaligen Maßstäben schwer nachvollziehbare, alles verzeihende, unendliche Güte und Liebe.

Deshalb sind auch die stilisierten heutigen Kostüme und die Bühne, die Ausstattung stammt von Oliver Helf, zeitlos angelegt. Dominant auf der Bühne ist ein überdimensionaler, weißer, einfacher Holzstuhl, vielseitig als Thron, als Richtstuhl, aber auch als Bett verwendbar. Neben ihm wirken alle anderen verzwergt. Die Botschaft ist jedenfalls eindeutig: Dieser Thron ist für Titus eine Nummer zu groß! Er ist schlichtweg mit seinem Amt überfordert.

Bei seiner Personenführung ist Bernuth allerdings recht uneinheitlich. Vieles wirkt sehr bemüht und ungelenk, vor allem beim Chor und bei den Statisten. Bei den Protagonisten hingegen gibt es bisweilen starkes, hochemotionales Musiktheater. Hier sei etwa die erste Begegnung von Tito und Sesto nach dem misslungenen Attentat zu erwähnen. Das ist packend inszeniert. Die öffentlichen Auftritte des Kaisers, wenn ihm mit Fähnchen zugewunken wird, auf denen sein Konterfei zu sehen ist, oder im Finale vor einer Tribüne, wo dann, wie bei einem Fußballspiel, ein riesiges Transparent über die Köpfe der Zuschauer gezogen wird, erinnern an die Auftritte eines Popstars. Und immer schwingt die im Stück immanente Melancholie und Milde mit.

Milde und Lieblichkeit stehen für Alessandro De Marchi, dem künstlerischen Leiter der Innsbrucker Festspiele für Alte Musik, scheinbar in erster Linie in der Partitur. Denn liebevoll lässt er die Lyrismen bei der relativ intonationssicheren Academia Montis Regalis, einem vibratofrei spielenden Originalklangensemble aus dem Piemont, im hochgefahrenen Orchestergraben erklingen. Im dramatischen Bereich hätte man sich allerdings zumindest teilweise ein temperamentvolleres und auch kantigeres Musizieren gewünscht. Auch wären fallweise weniger stumpfe, sondern strahlendere Klangfarben wünschenswert gewesen.

Dumpf und recht brummig wie auch brüchig erklingt auch die Continuo-Begleitung bei den Rezitativen. Diese wird diesmal recht ungewöhnlich nicht am Hammerklavier, sondern nur am Cello und Kontrabass gespielt, was sich aber durchaus mit einer historischen Aufführungspraxis in Einklang bringen lässt.

Titus wurde nach Mozarts frühem Tod zunächst zur meistgespielten seiner Opern, jedoch zunehmend in Bearbeitungen, die dem neuen Operngeschmack entgegenkamen. An diese Aufführungspraxis im frühen 19. Jahrhundert erinnert Dirigent Alessandro De Marchi mit einer Fassung vom Wiener Hoftheater am Kärntnertor, die europaweit von Paris bis Mailand gespielt wurde und in der zwei Titus-Arien Mozarts durch Neukompositionen der Opernkapellmeister Joseph Weigl und Johann Simon Mayr ersetzt wurden sowie ein neues Duett von Titus und Sextus dazukam, die sich aber nahtlos in das Werk einfügen.

Mit dem Sängerensemble kann man sehr zufrieden sein: Carlo Allemano ist zwar ein schon etwas in die Jahre gekommener Titelheld, der anfangs etwas kehlig klingt, der jedoch besonders in den Spitzentönen brilliert, ungemein präsent ist und seine Zerrissenheit ideal ausspielt. Nina Bernsteiner spielt und singt die Vitellia rachsüchtig und sehr nuancenreich, schreckt auch nicht vor Handgreiflichkeiten zurück. Als ihr höriges Werkzeug: Sesto, Freund des Kaisers und zwiespältiger "Verräter", hört man Kate Aldrich mit intensivem Mezzosopran. Als Servilia ist die glasklare Dana Marbach zu erleben. Ann-Beth Solvang gibt einen bubenhaften Annio mit schön geführtem Mezzosopran. Marcell Bakonyi erlebt man mit knorrigem Bass in der Partie des Publio. Der tadellos singende Chor der Academia Montis Regalis in der Einstudierung von Claudio Chiavazza rundet den positiven sängerischen Gesamteindruck ab. Zum Finale gibt es uneingeschränkten Jubel.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Rupert Larl