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Fakten zur Aufführung 

PETER GRIMES
(Benjamin Britten)
21. Dezember 2013
(Premiere am 9. November 2013)

Theater für Niedersachsen,
Hildesheim


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Einer gegen alle

Peter Grimmme-ssss“ rufen ihn die Dorfbewohner wie aus einem Munde, und die Bedrohung liegt spürbar in der Luft. Die Hauptfigur hat dem Werk seinen Namen gegeben: Dem einsamen, raubeinigen Fischer Peter Grimes werden zwei Unglücksfälle im Zusammenhang mit kleinen Jungen nachgesagt. Außer den abendlichen Gelagen in der Kneipe des kleinen englischen Dorfes gibt es sonst ja auch nichts zu tratschen. Und so hat sich die Gemeinschaft gegen den Außenseiter Grimes verschworen, ob zu Recht oder Unrecht, bleibt unklar. Und am Ende muss sich der Protagonist selbst auslöschen, damit die Gemeinschaft in Frieden weiterleben kann. Benjamin Brittens Oper ist eine zeitlose Parabel auf die seelische Vereinsamung, die Erniedrigung und den Versuch, sich trotzdem in die Gesellschaft einzufinden.

Die Inszenierung von Frank van Laecke präsentiert das Schicksal von Grimes ohne viel Schnörkel, aber mit psychologischer Tiefe. Bis zum Schluss bleibt der Protagonist dem Zuschauer ein Rätsel: Mal ist der ausgeschlossene Alte bedauernswert, wenn er sich so ganz allein in die Kneipe wagt. Dann wieder schlägt und schubst er den Jungen, den er sich zur Arbeitsunterstützung holt, und jegliche Empathie ist verschwunden. Das Spiel zwischen Nähe und der Angst davor, sie zuzulassen, durchzieht das ganze Stück ebenso wie die schwelenden Anschuldigungen – meist nur Blicke und Worte hinter Grimes‘ Rücken. Das karge Bühnenbild von Philippe Miesch, das hauptsächlich aus schwarzen Steinwänden besteht, unterstreicht die Kälte in der Gesellschaft. Wunderbar sind auch Mieschs Kostüme: Egal ob Anzüge, Kleider und Regenzeug: Jedes Kleidungsstück hat einen Matschrand, alle Personen sind gleich und haben mit den gleichen Widrigkeiten zu kämpfen – und doch sind alle anders.

Hans-Jürgen Schöpflin meistert die anspruchsvolle Titelpartie mit Bravour. Die psychologische Tiefe dieser zutiefst verstörten Persönlichkeit unterstreicht er mit hervorragend differenziertem Gesang. Mit weichen, fast zarten Gesangslinien umschmeichelt er den Jungen, ehe er kurz darauf wieder das andere Ich zum Vorschein bringt und mit kräftigem Tenor den wütenden, einzelgängerischen Seemann präsentiert. Seine einzige Vertraute ist Ellen, die sich ihm in einer Mischung aus Liebe und Furcht zu nähern versucht. Mit feinem, klaren Sopran lässt Isabell Bringmann den Zuschauer an den Gefühlen der Ellen teilhaben. Albrecht Pöhl als Kapitän Balstrode, der Grimes ab und an verteidigen muss, überzeugt mit charaktervoll-autoritärem Bariton, der die Gemeinde aufhorchen lässt. In den weiteren Rollen überzeugen Franziska Blaß und Stephanie Lönne als erste und zweite Nichte, die so wenig mit sich anzufangen wissen, dass sie sich gegenseitig die Lippen schminken und wieder abwischen, im stetigen Wechsel. Auch Christina Baader gibt glaubhaft die Wirtin Tantjen, die sich immer mit großem Mundwerk bemerkbar macht und deshalb sehr beliebt ist. Jan Kristof Schliep als Bob Boles, Uwe Tobias Hieronimi als Swallow, Konstantinos Klironomos als Pastor Adams, Peter Frank als Ned Keene, Piet Bruninx als Jim Hobson und Jie Zhang als Ms Sedley komplettieren das hervorragende Ensemble als Verschwörungstheoretiker, Klatschweiber und Richter.

Die 12 Solisten werden von 50 Sängerinnen und Sängern des Opernchores und Jugendchores des Theaters für Niedersachsen (TfN) unterstützt. Achim Falkenhausen präsentiert einen stimmgewaltigen, mit ausgeprägter Dynamik und emotionalen Steigerungen arbeitenden Chor, der die zum Teil hoch dramatischen Szenen wunderbar trägt. Fantastisch ist auch das Dirigat von Leif Klinkhardt, der die Partitur hochmusikalisch umsetzt. Das Orchester des TfN spielt mit schönen Klangfarben und dramatischem Impetus, wo es angebracht ist. Die große innere Spannung, die aufgebaut wird, verfehlt seine Wirkung nicht.

Das Publikum zeigt sich von der Aufführung begeistert, es schenkt den Beteiligten minutenlangen Applaus und einige Bravo-Rufe.

Agnes Beckmann





Fotos: Andreas Hartmann