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Fakten zur Aufführung 

DER KUSS
(Bedřich Smetana)
23. März 2011
(Premiere: 19. März 2011)

Stadttheater Hildesheim

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Audiobeitrag

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Der Kuss muss warten

Smetanas Oper Der Kuss verbreitete sich nach der Uraufführung 1876, die ein großartiger Erfolg wurde, rasch über die Bühnen, war zeitweise ähnlich beliebt und viel gespielt wie Die Verkaufte Braut. Im Zentrum der Handlung steht das Paar Vendulka und Lukas. Beide kennen und lieben sich schon lange, Lukas musste auf Drängen seiner Eltern zunächst eine andere Frau heiraten. Nach deren Tod steht ihm jetzt der Weg zu Vendulka frei. Die jedoch verweigert ihm den ihre Liebe auch öffentlich besiegelnden Kuss. Das sorgt für Verwirrungen und Irritationen bei der lieben Verwandtschaft, vor allem aber im Inneren der beiden jungen Menschen. Bevor sie sich am Ende schließlich doch küssen, müssen sie erst mit ihrer eigenen Gefühlswelt, jeder für sich allein, wieder zurechtkommen.

Diesen Aspekt betont Regisseurin Mareike Zimmermann besonders stark. Zusammen mit ihrem Ausstatter Bernd Franke verlegt sie die Geschichte in ein herrlich spießiges 80er-Jahre-Millieu. Das unterstreicht die Kleinbürgerlichkeit von Vendulkas und Lukas’ Umfeld sehr gut, Zimmermann gelingen dabei köstliche Charakterstudien – wie die überdrehte Magd Barce und Vendulkas Vater, der, wann immer es ernst um das Seelenheil seiner Tochter wird, um den korrekten Sitz seiner Perücke bedacht ist.

Der Wald, in den Vendulka sich im zweiten Akt zurückzieht, um über sich selbst nachzudenken, ist hier eher eine Traumwelt, die ein paar mit verästeten Gebilden bemalte schmale Vorhänge andeuten, die vom Bühnenhimmel heruntergelassen werden. Dieses Bild wird bereits im ersten Aufzug angedeutet, sobald Vendulka beginnt, über ihr Verhalten nachzudenken. So ist die Regie konsequent entwickelt und Mareike Zimmermann versteht ihr Handwerk im Hinblick auf Personenregie und detaillierte Zeichnung der einzelnen Charaktere durchaus. Dass sie mit dieser Lesart bei einer Geschichte, die aus dem tiefsten bäuerlichen Millieu kommt, nicht auf ungeteiltes Verständnis stößt, ist die Kehrseite ihrer Arbeit. Sie nimmt dem Stück damit jedoch nichts, bringt es vielmehr auf eine Ebene, die bei Spielopern nicht unbedingt den Erwartungen entspricht.

Dass eine Wiederbelebung des Kusses unbedingt lohnenswert ist, demonstriert Chefdirigent Werner Seitzer mit dem von einigen Unsauberkeiten in den Bläsern abgesehen sehr gut aufgelegten Orchester. Smetana befindet sich zu der Zeit, als er den Kuss komponierte, offensichtlich auf der Höhe seines Könnens. Instrumentation und Farbigkeit der Klänge, die Verbindung von sinfonisch geprägten und zutiefst volkstümlich beeinflussten Abschnitten fügt er in diesem Stück zu einer ausgereiften Partitur zusammen. Darin baden und schwelgen Seitzer und seine Musiker mit großer Freude und liefern so ein starkes Plädoyer für den überhaupt ein wenig ins Abseits geratenen Komponisten.

Antonia Radneva gibt die Vendulka mit ihrem satten, dunkel gefärbten Sopran, Christian S. Malchow gibt den Lukas als durchaus draufgängerischen Liebhaber mit schön schmelzendem, kraftvollem Tenor. Damit kann das Hildesheimer Haus die anspruchsvollen Hauptpartien rundum überzeugend aus dem eigenen Ensemble besetzen. Das ist überhaupt stimmlich sehr präsent, allen voran Regine Sturm mit ihrem lupenreinen lyrischen Sopran als Barce und Dorothee Schlemm mit leuchtendem Mezzo als Tante Martinka, aber auch Piet Bruninx als wunderbar knorriger Vater, Uwe Tobias Hieronimi mit gewohnter stimmlicher und szenischer Präsenz als Tomas sowie Daniel Dropulja als Schmuggler Matous, und auch der von Achim Falkenhausen einstudierte Chor agiert sehr präzise und klangschön..

Sehr herzlichen Beifall gab es am Ende für alle Beteiligten. Leider war das Haus schon in der zweiten Vorstellung kaum zur Hälfte besetzt. Es bleibt zu wünschen, dass die sehens- und vor allem hörenswerte Aufführung noch ein wenig mehr Publikum anziehen möge.

Christian Schütte

 







Fotos: Andreas Hartmann