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Fakten zur Aufführung 

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN
(Jacques Offenbach)
7. Dezember 2011
(Premiere am 3. Dezember 2011)

Theater für Niedersachsen,
Stadttheater Hildesheim

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Feine Poesie

Die Erzählungen des Dichters Hoffmann sind keine realen Erlebnisse, sondern fantastische. Sie können sich so nur im Bewusstsein eines genialen Dichters, der reich an Fantasie und Vorstellungsvermögen ist, der „die Welt hinter dem Fassbaren erleben“ kann, wie es Regisseur Axel Heil formuliert, ereignen. In seiner Neuinszenierung für das Theater für Niedersachsen im Stadttheater Hildesheim konzentriert sich der Regisseur ganz darauf, den Dichter und seine Fantasie in den Mittelpunkt zu stellen. Es gelingt ihm dabei, einen hohen Grad an Identifikation mit der Figur zu erreichen. Das etwas lebensferne, in der eigenen Gedankenwelt verhangene Wesen Hoffmanns zeichnet er überzeugend nach. Heil erzählt die Geschichten gradlinig und nachvollziehbar. Die Personenführung wirkt mitunter etwas hektisch und unruhig, vor allem am Beispiel der Bösewicht-Figuren und der Olympia, mehr Statik in den Bewegungen hätten hier sicher mehr Bedrohlichkeit, dort mehr Glaubwürdigkeit für den menschenähnlichen Automaten erreicht. Details, die der sehr poetischen Erzählweise in der Summe jedoch wenig Abbruch tun.

Philippe Miesch hat mit wenigen Mitteln effektvolle Bühnenbilder gebaut, ein Wandelement mit einem Foto der Sängerin Stella, in die Hoffmann aktuell verliebt ist, und einen langen Tresen für das Zechlokal zu Anfang und am Schluss versinnbildlichen das Künstler- und Kneipenmillieu. Bei Spalanzani stehen eine Menge Holzkisten mit Puppenautomaten-Versuchen herum, Olympia bekommt für ihren Auftritt einen von herzförmig angerichteten rosa Rosenblüten umrandeten Bühnenaufgang, der die grelle Farbe nicht scheut. Wie eine Puppenstube mit vielen Geigen an der Wand und einer Vitrine mit einem Kostüm der toten Mutter überzeugt vor allem das Bild des Antonia-Akts mit einer dichten Atmosphäre. Rote Sofas und ein detailreich gestalteter großer Spiegel reichen aus, um das Millieu der Kurtisane Giulietta zu zeigen. Die Poesie der Regie erhält  durch diese einfachen, aber aussagestarken Bilder ihre volle Wirkung, Regie und Bühne greifen da überwiegend wunderbar ineinander. 

Chordirektor Achim Falkenhausen ist der musikalische Leiter der Produktion. Er animiert sein Orchester zu farbenreichem Spiel, das die französische Raffinesse dieser Musik schön ausleuchtet. Ein paar kleine Koordinationsprobleme zwischen Bühne und Graben fallen da nicht ins Gewicht. Seine Chöre hat er sicher  und klangstark vorbereitet.

Was die Inszenierung vorgibt, setzt sich im Ensemble fort. Christian S. Malchow steht stimmlich im Mittelpunkt des Abends. Mit manchmal noch etwas zu nasalem Klang gibt der dem Hoffmann gleichwohl kraft seines sicher geführten, in den Höhen immer wieder strahlenden Tenors vokale Statur. Die Partie liegt ihm einfach gut in der Stimme. Ihm zur Seite ist Dorothee Schlemm ein rühriger Freund Niklas und am Ende die sich in ihrer Liebe zu Hoffmann offenbarende Muse. Ihr Mezzosopran ist rund und klar geführt, erreicht an einigen Stellen aber noch nicht die für diese Partie nötige Intensität. Isabell Bringmann als Antonia überzeugt vor allem mit hinreißend gesungenen lyrischen und schwebenden Piano-Phrasen. Julia Riemer verfügt, von kleinen Unsicherheiten abgesehen, sicher über die Koloraturen der Olympia, wirkt allerdings, sicher auch bedingt durch die Regie, allzu menschlich für eine Puppe. Regine Sturm singt die Giulietta keck und forsch, eine Spur mehr Anrüchigkeit täten der skrupellosen Lebedame indes gut. Jan-Kristof Schliep verleiht den vier Dienerrollen mit seinem wandlungsfähigen Tenor individuellen Charakter. Levente György verfügt über einen voluminösen, dunkel gefärbten Bassbariton für die vier Bösewichter-Partien, könnte seinen Rollen allerdings noch etwas abgründigeres und diabolischeres Profil geben. Unter den kleinen Partien ragen Uwe-Tobias Hieronimi sowohl als Spalanzani und später auch als Schlemihl sowie Piet Bruninx als Crespel mit erfahrener stimmlicher und schauspielerischer Präsenz hervor. Wie in Hildesheim zumeist üblich, wird auch diese Produktion auf deutsch gesungen. Die mitunter doch recht hölzerne Sprache steht da leider der vollen Entfaltung des spezifischen französischen Charmes der Gesangspartien etwas im Wege.

Das Publikum im längst nicht ausverkauften Haus applaudiert im Lauf des Abends immer häufiger in die offene Szene, am Ende sehr freundlich bis begeistert an alle Beteiligten.

Christian Schütte






 
Fotos: Andreas Hartmann