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Fakten zur Aufführung 

FALSTAFF
(Giuseppe Verdi)
10. Oktober 2013
(Premiere am 21. September 2013)

Theater für Niedersachsen,
Großes Haus Hildesheim


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Gekonnt gefoppt

Vor 200 Jahren wurde Giuseppe Verdi geboren, und die Musikwelt feiert den Komponisten, der bis ins hohe Alter Werke geschaffen hat. Seine letzte Oper, Falstaff, vollendete er mit 80 Jahren. Verdi, bis dato als italienischer Dramenkomponist bekannt, beendete seine Opernlaufbahn überraschend mit einer heiteren Oper, um sich mit dieser lachend von der Welt zu verabschieden. Sein jüngerer italienischer Komponisten-Kollege Arrigo Boito machte ihn auf William Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor aufmerksam, und Verdi war vom Stoff begeistert. Ebenso wie beim Otello fungierte Boito wieder als Librettist. Nicht nur Shakespeares Komödie, sondern auch wichtige Passagen aus dessen Historiendrama Heinrich IV, wie etwa der berühmte Ehre-Monolog Falstaffs, kommen in Verdis Oper zum Tragen.

So richtig lustig sind Opern selten. Vereinzelte Lacher, ein Schmunzeln, das über das Gesicht huscht, oder ein mitfühlendes Kopfschütteln ob der offensichtlichen Verballhornung und des Nicht-Verstehens eines Protagonisten gibt es schon öfter. Und dann beschert Verdi der Opernwelt wie aus dem Nichts ein solches Meisterwerk, das Ansgar Weigner so wunderbar komödiantisch angepackt hat und dem Zuschauer mit genau der richtigen Dosis Humor serviert. Ein wenig naiv ist sein Falstaff, zudem feist, aber trotzdem von sich und seinen Verführungskünsten überzeugt. Da er in notorischer Geldnot ist, schickt er zwei Damen aus Windsor mit vermögenden Ehemännern gleichlautende Liebesbriefe. Die erkennen den Schwindel und greifen zu einer falstaffähnlichen Voodoo-Puppe, die sie malträtieren und Rachepläne schmieden. Weigner setzt das Komödiantische sehr überlegt ein, seine Inszenierung ist liebevoll, zugänglich und überhaupt nicht derb. Als Falstaff sich mit einem der Ehemänner, nicht wissend, mit wem er es zu tun hat, unterhält, zerbricht dieser vor Wut ein Glas und sagt wenig später zu Falstaff, während er ihn hinausbegleitet: „Ich bring dich um die Ecke.“

Die Kostüme von Eckhard Reschat sind wunderbar bunt und farbintensiv, zum Teil auch etwas schrullig. Ein Hirschgeweih, das im Gasthaus hängt, findet sich später auch am Hut von Falstaff wieder: Er ist der Gehörnte, der Geneckte, der den Spaß zu seinen Ungunsten erst zum Schluss der Handlung bemerkt.

Reschat hat für die Bühne ein riesiges Holzgerüst in Form eines Hauses erdacht. In der Rückwand ist ein Tor eingelassen, dahinter befindet sich eine riesige Leinwand, die den Ort des Geschehens aufzeigt: Mal ist es ein Gartenhaus mit einer Baumallee im Hintergrund, dann ein Wirtshaus, dann wieder schimmert es blau und nur der Mond ist zu sehen.

Der alternde Falstaff vermag sein erotisches Potenzial falsch einschätzen, aber immerhin versucht er sein Glück. Er kümmert sich nicht um Konventionen, und Ehre ist für ihn letztlich ein „bloßes Wort voller Luft“. Denn er möchte genießen, was ihm aufgrund von immer neuen Scherzen auf seine Kosten verwehrt wird. Levente György verleiht dem Protagonisten viel Menschlichkeit. Falstaff ist kein Schurke, der die Damenwelt schamlos ausnutzt. Er kümmert sich auf seine Art um sein Wohlergehen, das hauptsächlich aus guten Speisen besteht. Er erkennt die Gemeinheiten erst, als er mitten drin steckt, und ist enttäuscht ob der Rache der Damenwelt, die ihn in einem Wäschekorb in die Themse wirft. Leider ist sein voluminöser Bassbariton nicht gleich so präsent wie die Figur. Alice Ford, Angebetete Nummer eins, wird von Maribeth Diggle gespielt. Energisch, gewitzt und durchsetzungsstark ist sie, ebenso wie ihr schöner Sopran. Neele Kramer als Meg Page ist eher bieder, nichtsdestotrotz genauso gewieft wie ihre Mitstreiterin und mit intensivem Mezzosopran. Albrecht Pöhl als Alices Gatte überzeugt besonders durch sein Mimikspiel, das zwischen Wut, Eifersucht und Überraschung schwankt. Seinen farbenreichen Bariton gestaltet er mit kraftvollen Tönen. Christina Baader als fröhliche Ms Quickly, die gekonnt intrigiert, aber in anderen Liebesdingen geschickt vermittelt, lässt ihren Mezzo besonders bei den tiefen Tönen erstrahlen. Den beeindruckendsten Auftritt hat allerdings Regine Sturm als kurzsichtige Tochter Nanetta Ford. Ihr strahlender, charaktervoller Sopran ergänzt sich mit dem schmeichelnden Tenor ihres geliebten Fenton, gegeben von Konstantinos Klironomos. Auch Hans-Jürgen Schöpflin als Dr. Cajus überzeugt, etwas Anlauf dagegen brauchen die Diener Bardolph, Jan Kristof Schliep, und Pistol, Nicolas Kröger.

Verdi verlieh dem Falstaff nicht nur musikalische Kraft und Vitalität, sondern auch Empfindsamkeit und Poesie. Seine Partitur umfasst kunstvoll filigrane Elemente, die Werner Seitzer mit seinem Orchester wunderbar herausarbeitet. Seine Tutti sind nie grob, und die Spielfreude des Orchesters ist hörbar. Lediglich die Kommunikation zwischen Orchester und Bühne klappt nicht immer. Der Chor unter Leitung von Achim Falkenhausen ist präsent, klar und agiert auch schauspielerisch sehr gut.

Der Abend ist ein großer Erfolg für das Theater für Niedersachsen: Es wird viel gelacht, viel geklatscht und für die Protagonisten gibt es einige Bravorufe. Eine Aufführung, die man gerne in Erinnerung behält.

Agnes Beckmann

Fotos: Andreas Hartmann