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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
15. Juli 2011
(Premiere: 14. Jul 2011)

Herrenchiemsee Festspiele
Schloss Herrenchiemsee


Points of Honor                      

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Adel verdichtet

Noch vor dem Betreten des prunkvollen Spiegelsaales auf Schloss Herrenchiemsee erhält jeder Gast von livrierten Lakaien eine auf Büttenpapier gedruckte fürstliche Einladung mit König Ludwigs Wappen: Der König höchstselbst lädt die adlige Hofgesellschaft zur Aufführung der Zauberflöte. Wir schreiben das Jahr 1885.

Nachdem dieser Zeitsprung vollzogen ist, klärt sich die Verwirrung über die Besetzungsliste, denn sämtliche Personen aus Mozarts märchenhaftem Singspiel haben ein hochwohlgeborenes Alter Ego: Angeführt von Seiner Majestät König Ludwig II. als Sarastro, den Alfred Reiter mit sonor-rauchigem Bass überzeugend verkörpert, folgt das k&k-Traumpaar Sissi und Franz Joseph als Pamina und Tamino, die Königin der Nacht ist die Schwiegermama Erzherzogin Sophie und Monostatos mit Pickelhaube ist Otto von Bismarck.

Mit der Rolle des Papageno ist allerdings noch mehr passiert: Als gealterter Papageno/Max von Bayern sitzt der Schauspieler Gerd Anthoff am Biergartentisch, frotzelt über den Adel und erzählt den Herrschaften seine Geschichte – die Handlung der Oper. Somit sind die Dialoge für sämtliche Partien gestrichen. Gerade für den jungen, echten Papageno, im Seppl-Outfit und mit schlankem Bariton gesungen von Moritz Gogg, ist das ein gewaltiger Einschnitt in die Partie. Sein komödiantisches Talent darf immer nur kurz aufblitzen. Stumm sitzt er beobachtend auf der Bühne, während sein Schauspielkollege auf Hochtouren das Publikum zum Lachen bringt. Auch seine Papagena darf erst ganz am Schluss zum Duett erscheinen, und es wird deutlich, dass allein durch Mozarts Musik diese sonst so heiß geliebten Partien nicht zum Sympathieträger werden. Die Gleichwertigkeit von „Sing“ und „Spiel“ wurde einem selten deutlicher vor Augen geführt.

Dennoch funktioniert die unterhaltsame Übertragung auf die Ludwig II.–Ebene in diesem Rahmen, und wohl nur hier. Beispielsweise lässt es sich der Regisseur, Intendant und Initiator der Festspiele Enoch zu Guttenberg in seiner leitenden Position als Kapellmeister nicht nehmen, auch verbal ins Geschehen einzugreifen, wenn allzu hart über den Adel hergezogen wird. Auch das Publikum folgt ihm gewissenhaft und applaudiert nach der Pause brav nach jeder großen Musiknummer, nachdem er wegen zu wenig spontaner Begeisterungsbekundungen im ersten Teil dies angemahnt hatte.

Sein Orchester, die „Klangverwaltung“, zaubert einen flexiblen, duftigen Mozart voller Energie. Die straffen Tempi verhindern ein allzu episches Ausmaß der Veranstaltung, die ja auch für Kinder attraktiv sein soll. Es sind dennoch mehr von ihnen auf der Bühne als im Publikum zu sehen. Angefangen mit den drei Knaben aus den Reihen des Tölzer Knabenchores in Staatsopern erprobter Souveränität, bis hin zu den Statistenkindern, die im Glöckchen-Tanz als Tiere und als Papageno-Kinderschar im Finale erscheinen.

Großartig die Chorszenen mit der in bayerische Festtracht gewandeten Chorgemeinschaft Neubeuern, die in bewundernswerter Weise in dem engen Bühnenraum Platz finden und wieder verschwinden. Die Chorszenen und die Soli von Katharina Persicke als zierlicher Sissi-Pamina und Jörg Dürmüllers Tamino zählen zu den musikalischen Höhepunkten des Abends. Auch Olga Polyakovas zwei Königinnen-Arien begeistern, wenn auch bei ihr besonders deutlich wird, wie zu Guttenberg seine Sänger besetzt: Leicht, flexibel und instrumental sind die Stimmen geführt, in feiner Oratorienmanier wird hier musiziert. Für echte Dramatik wäre ja auch ein Verlust der Contenance nötig und das wäre doch nicht standesgemäß...

Auf jeden Fall sind die Musikveranstaltungen der Herrenchiemsee-Festspiele eine wunderbare Gelegenheit, die beiden zauberhaften Inseln im Chiemsee außerhalb der täglichen Sommertouristenströme zu erleben: In märchenhafter Abendstimmung, gekrönt von der nächtlichen Rückfahrt mit dem Schiff bieten sie eine Exklusivität und Entrücktheit, die kaum ein anderer Ort zu bieten haben dürfte.

Ingrid Franz









 
Fotos: Franz-Josef Fischer