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Fakten zur Aufführung 

DER GLÜCKLICHE LIEBESWECHSEL
(Johann David Heinichen)
11. November 2012
(Premiere)

Tage der Alten Musik in Herne,
Kulturzentrum


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Altes Schätzchen mit Esprit

Einer der eindeutigen Höhepunkte der diesjährigen Tage Alter Musik in Herne war die Abschlussveranstaltung: Eine konzertante Aufführung der Oper mit dem etwas umständlichen Titel Der glückliche Liebeswechsel oder Paris und Helena von Johann David Heinichen aus dem Jahr 1710. Als Bestandteil des lange verschollenen Archivs der Sing-Akademie zu Berlin ist die Oper erst vor kurzem wiederentdeckt worden. Es handelt sich dabei um eine für ihre Zeit eher untypische, reichlich experimentierfreudige Musik, die in ihrer Frische und mit ihren originellen Einfällen auch heute noch das Publikum begeistern kann. Paris, der sich vor einer Reise nach Griechenland in die Prinzessin Enona verliebt, verguckt sich in Griechenland in Helena, die sich bereitwillig nach Troja entführen lässt. Während der Reise strandet das Schiff in einem Sturm an eben der Insel, auf der Enona Hof hält. Es kommt zu allerlei Verwicklungen, die die Dienerin Rusilla letztlich mit einer List zu aller Zufriedenheit auflöst. Helena bekommt ihren Paris, Enona den lange verschmähten Euristenes. Dass man eine solche Handlung mit Hilfe zahlreicher Arien und Dacapos leicht auf die Länge von drei Stunden treiben kann, entspricht geübter Praxis zur Zeit der Entstehung. Dass die Hörer im Saal des Kulturzentrums von Herne so lange aushalten, liegt an hervorragenden Solisten und dem packenden Spiel der Lautten Compagney Berlin unter Leitung von Wolfgang Katschner. Die historischen Instrumente in den Händen erfahrener Musiker spielen mit einem modernen Klang auf, der vergessen lässt, dass diese Oper 300 Jahre alt ist.

Die Solisten sind auf denselben unbequemen Stühlen vor dem Orchester platziert wie die Hörer im Saal. Susanne Ellen Kirchesch gibt die Helena im blutroten Gewand. Ihr Sopran wird vom Sprechgesang bis in die Höhen in mitunter schnellen Wechseln arg strapaziert, ohne dass ihr eine Mühe anzumerken wäre. Ähnlich bei Enona, die Gesche Geier noch in der Höhe differenziert koloriert. Melanie Hirsch unterstreicht die Keckheit ihrer Rolle mit viel Witz in der Stimme. Dem Paris verleiht Tobias Berndt einen warmen, runden Bass, der die Souveränität des Prinzen nicht einen Moment aufgibt. Der Diener Arminoe wird von Dávid Szigetvári mit einfühlsamem Tenor gesungen, Ulrich Cordes übertreibt den Euristenes bis ins Komische sehr gekonnt und Henning Kaiser unterstützt den Fortgang mit einem wunderbar weichen Tenorklang. Immer wieder versuchen die Sängerinnen und Sänger, mit angedeuteten szenischen Bewegungen, Gesten und Mimiken die konzertante Starre zu durchbrechen. Das wirkt ein wenig aufgesetzt und angesichts eines humorvoll angelegten und ebenso brillant interpretierten Librettos eigentlich überflüssig.

In der Pause erklingen die Stimmen der Besucher, die Inszenierungen per se ablehnen, weil die Emotionalität ja eigentlich in der Musik liege, voll des Lobes. Nach drei Stunden großartiger Leistung sind nicht nur die Bühnenakteure erschöpft. Das hält aber das Publikum nicht von langanhaltenden, stehenden Ovationen ab. Nach neun vorangegangenen, allesamt begeisternden Konzerten des Festivals ist die Heinichen-Oper der wahrhaft verdiente, krönende Abschluss.

Michael S. Zerban

Fotos: Claus Langer