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Fakten zur Aufführung 

UN BALLO IN MASCHERA
(Giuseppe Verdi)
23. Januar 2014
(Premiere)

Theater Heidelberg


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Macht macht noch keinen Macher

Eine schillernde Figur. Ja, dieser Riccardo tut so, als ob ihn die Gesuche und Eingaben seiner Bürger interessierten, er schwafelt irgendetwas vom Wohl des Volkes. Doch wirklich interessiert ihn nur die Gästeliste eines abendlichen Balls, denn dort ist der Name von Amelia vermerkt. Auch im wirklichen Leben kommt es vor, dass Männern das Gehirn vernebelt wird, wenn die Sehnsucht lockt. Also muss Riccardo scheitern, die Story, die Giuseppe Verdi und seine Librettisten Somma und Scribe erzählen, ist bekannt. Verbotene Liebe, rasende Eifersucht, zährendes Frauenherz, Selbstmitleid und im Hintergrund heftige Rachegefühle sind die Ingredienzien, denn den scheinbar entspannten Riccardo belastet eine politische Vorgeschichte.

Ursprünglich spielt die Geschichte in Schweden, irgendein Gustav hat Privates und Politisches nicht auseinanderhalten können. Die italienische Zensur hatte Bedenken, so dass das Ganze im unverfänglichen Boston spielt. Regisseurin Yona Kim zieht daraus die Konsequenz und verlegt Schauplatz und Handlung ins Niemandsland, was sich auch in der Bühnenoptik von Nora Lau widerspiegelt. Überwiegend Leere; ein kühler Chefstuhl, auf dem Riccardo gar nicht Platz nehmen will, fühlt er sich doch der Last der Verantwortung nicht gewachsen. Seitlich lugen verspiegelte Stellwände in den Bühnenraum, Eingang und Abgang sind damit gesichert. Zeitweise wird die Szene an die Rampe vor weißem Vorhang verlegt, denn Yona Kim entwickelt ein Spiel vom Spiel, über das der scheinbare Ernst in ein selbstironisches Augenzwinkern übersetzt wird. Das wirkt, auch in der entspannt-unaufgeregten Kostümierung von Hugo Holger Schneider stimmig und konsequent. Zwar mag man im dritten Akt über die kleinbürgerliche, bedrohliche Heimeligkeit am Küchentisch mit der Eckbank aus den 1950-er Jahren zuerst stolpern, doch Renato, der beinahe Gehörnte, findet sich in seinem Furor auf die liebende Gattin Amelia durch dieses Bild in der Enge seines Gedankenkäfigs wieder.

Musikalisch bleiben kleinere Fragezeichen. Dietger Holm setzt mit dem Phiharmonischen Orchester auf heftige Ausbrüche, um den Emotionen der Figuren gerecht zu werden. Was dazu führt, dass das Orchester – an diesem Abend nicht in allen Stimmgruppen mit dem nötigen klanglichen Feingefühl ausgestattet – etwa das große Liebesduett Riccardo/Amelia in überbordendes Forte treibt. Da hören wir Hye-Sung Na mit dramatischem Sopran-Aplomb in metallischer Härte und mit Angus Wood einen außerordentlich stabilen, großen und zudem gut aussehenden Tenor, doch einige Zwischenfarben bleiben auf der Strecke. Gegenspieler Renato, der zum Mörder an Riccardo wird, findet im argentinischen Bassbariton Matias Tosi einen Darsteller-Sänger, der viele Trümpfe in Stimme und Darstellung hat. Quirlig agiert Sharleen Joynt in der Hosenrolle des Oscar, eine bezaubernde Erscheinung mit messerscharfen Koloraturen. Perfekt und hervorstechend Anna Peshes als Wahrsagerin Ulrica: Ihre Altstimme hat Sitz und Ausdruck, jede Mäkelei wäre verfehlt. Wilfried Staber und Michael Zahn als Verschwörer sind kernige Kerle, Zachary Wilson wirkt wie ein netter Matrose. Der Chor unter gerade wechselnder Leitung hat schon präziser agiert.

Und die Moral dieser Oper? Macht macht noch keinen Macher, doch im Spiel mit dem Spiel traut sich die Regie nicht, den Riccardo als Hanswurst darzustellen. Da fehlt die letzte Konsequenz, aber ein angenehmer, nachhaltiger Opernabend beschert das Theater Heidelberg dennoch. Herzlicher Beifall beim Premierenpublikum.

Eckhard Britsch







Fotos: Florian Merdes