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Fakten zur Aufführung 

TOSCA
(Giacomo Puccini)
14. September 2013
(Premiere)

Theater Heidelberg


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Ein Dirigent des Augenblicks

Es ist um 1800 eine Schlacht unter vielen, die Napoleon auf seinen Eroberungszügen durch Europa schlägt, als Rom zwischen republikanischem Eifer und restaurativ-katholischem Furor taumelt. In Erinnerung aber bleibt der Name durch das „Huhn Marengo“, das der Usurpator am Ort der Schlacht in sich hineingeschlungen hat, und natürlich 100 Jahre später durch Giacomo Puccini, der seine Oper Tosca genau in diesem politischen Wirrwarr ansiedelt. Instabile Zeiten begünstigen Terror und Hoffart, Eigennutz und Intrige, Gefühlskälte und Herrschsucht. Tosca erzählt davon, wie ein blutrünstiger Polizeichef, Baron Scarpia, skrupellos politische Gegner verfolgt und dabei über Leichen geht, während die liebreizende, gutherzige Sängerin Tosca das Unglück durch blinde Eifersucht mit heraufbeschwört und selbst zum Opfer wird.

Andrea Schwalbach verantwortet die Heidelberger Neuproduktion, die in sich nicht völlig stimmig und ausgereift wirkt. Zum Beispiel, wenn es der Personenführung nicht gelingt, das abgrundtief Böse in der Figur Scarpia zu verdeutlichen, auch wenn er in der guten Stube den gläsernen Sarg mit einem toten Attentäter aufbewahrt. Oder wenn das mit religiösem Devotionalien-Plunder überfüllte erste Bild - Nanette Zimmermann zeichnet für die Bühne verantwortlich - den Blick auf die Personen und ihre Probleme verstellt. Maler Cavaradossi kommt eher als Bruder Leichtfuß daher, der den Ernst der Lage verkennt, und der republikanische Flüchtling Angelotti kriecht und röchelt blutverschmiert mühsam in der Kirche herum. Wie soll er in diesem Zustand noch „schnell“ durch einen Geheimgang entfliehen? Auch die Kostümierung von Nora Johanna Gromer mit unserer Zeit angepassten Kleidern wirkt etwas gewollt. Dennoch: Das blutige Drama entwickelt in dieser Inszenierung einen berührend-schmerzvollen Sog, trotz eines leicht indifferenten Endes, wenn Tosca nicht, wie gewohnt, von der Engelsburg in den Tod stürzt, sondern sich vom Mesner bewusst-unbewusst erdolchen lässt.

Musikalisch ist vom tiefgreifenden Zerwürfnis zwischen dem Philharmonischen Orchester und Generalmusikdirektor Yordan Kamdzhalov, das immerhin in einer Vertragsverkürzung mündet, nichts zu spüren. Das Orchester spielt bemerkenswert engagiert, wenn Kandzhalov, ein charismatischer Dirigent, den veristischen Grundzug dieser Musik herausstellt und gekonnt auf der Woge musikalischer Stimmungskontraste balanciert. Auch das Zusammenwirken mit den von Jan Schweiger einstudierten Chören lässt nichts zu wünschen übrig. Kamdzhalov ist ein Dirigent, der das Ingenium des Augenblicks nutzt, während das Orchester an seiner Probenarbeit mäkelt. Auch die Stimmung unter den Musikfreunden dieser Stadt scheint sich etwas gedreht zu haben, denn die Extra-Bravos für den Dirigenten bleiben dieses Mal aus.

Die gelten vor allem Hye-Sung Na, die in der Titelpartie glänzt. Ihr jugendlich-dramatisch gefärbter Sopran steuert ebenso mühelos die Ausbrüche von Eifersucht, Angst und Wut an, wie dieser Stimme hinreißend schöne Kantilene innewohnt. Vielleicht die beste Leistung von Hye-Sung Na, seit sie dem Heidelberger Ensemble angehört. Angus Wood, ein gut aussehendes Mannsbild, singt die Bravourarie E lucevan le stelle ganz ausgezeichnet, während er zuvor doch einige stimmliche Engen aufweist. James Homann stellt für den Scarpia einen runden, gut ausgestatteten Bariton bereit und spielt ihn innerhalb der Regie-Grenzen. Ipča Ramanović gibt dem als Priester gewandeten Mesner sanft-baritonale Züge ängstlicher Bigotterie, und die kleineren Partien sind aus dem (Chor)Ensemble angemessen gut besetzt.

Das Premierenpublikum ist hellauf begeistert.

Eckhard Britsch

Fotos: Florian Merdes