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Fakten zur Aufführung 

LAS CARTAS DE FRIDA
(Marcela Rodriguez)
26. Oktober 2011
(Uraufführung)

Theater Heidelberg


Points of Honor                      

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Im Spiegel widersprüchlicher Empfindungen

Wer als Künstler ein Auftragswerk abzuliefern hat, tut sich oft schwer. Denn Erwartungshaltungen seitens der Auftragsgeber schlagen sich irgendwo im Gehirn nieder und hemmen manchmal den Gedankenfluss. Bei der aus Mexiko stammenden Komponistin Marcela Rodriguez bestand diese Gefahr ausweislich ihrer Musik für die Kammeroper Las Cartas de Frida (Die Briefe der Frida) offenbar nicht, denn ihre Eingebungen wirken frisch und unverbraucht, griffig und dem Sujet angemessen. Denn immerhin soll sie die Figur der Malerin Frida Kahlo ausleuchten, die ob ihrer schmerzvollen Vita zu einer Ikone des 20. Jahrhunderts wurde. Der horrible Unfall im Jugendalter, der ihr Leben buchstäblich verzerrte, die Suche nach Behaustsein in der kommunistischen Partei, die Liebe zu einem Mann, der sie hemmungslos betrog, und die Enttäuschungen über den kommerzialisierten Kunstbetrieb machten sie zu einem Fall für Klischee-Vorstellungen. Bis hin zur Postkartenidylle des  gemalten Schmerzes.

Diesen Festlegungen will das Theater Heidelberg gemeinsam mit Marcela Rodriguez dadurch entgehen, dass das Bild hinter dem Bild, gewissermaßen die wahre Frida Kahlo entdeckt werden soll, wenn teilweise unveröffentlichte Briefe und Tagebuchnotizen als Libretto für 13 Szenen benutzt werden, die wie Schlaglichter einzelne Lebensstationen erhellen wollen. Der Kunstgriff, der Sängerin -  großartig die junge Sopranistin Sybille Witkowski in Stimme, Klangvielfalt, Ausdruck und Spiel – ein Alter Ego zuzuordnen, scheint zuerst banal. Die eine schwarz und schmerzgebeugt, die andere hell und licht wie ein Seelen-Engel als träumerisch-ideale Frida, das wirkt doch allzu einfach. Aber: Es ist wirkungsvoll, zumal mit der Schauspielerin Karen Dahmen sehr gut besetzt.

Dennoch bleibt die Frage an die Regie von Johanna Wehner, ob sie nicht in der versuchten Abkehr von den Klischees genau diese bedient; auch die Bühnengestaltung  von Melanie Fürst lässt deshalb Wünsche offen, weil die Verschiebe-Elemente mit Puzzleteilen aus der Bilderwelt der Frida Kahlo zwar als origineller Einfall durchgehen dürfen, in der Ausführung aber doch reichlich brav daherkommen, was auch für die Kostüme des Zweipersonenstücks gilt: Miriam Draxl gewandet die Sängerin in dunkler Trauer, den spiegelnden Gegenpart in blond und hellem Hosenanzug. Das mag griffig erscheinen, bleibt aber doch ein wenig kurz gedacht.

Die Überraschung des Abends ist die Musik. Nicht nur, dass Sybille Witkowski nach kurzer Einarbeitungszeit  perfekt singt und gestaltet; die Musik selbst ist facettenreich und griffig gesetzt. Marcela Rodriguez stattet die Szenen mit völlig unterschiedlichen, dennoch genau aufeinander abgestimmten Valeurs aus. Da prallen raue Intervallreibungen auf reizvolle Folklore-Anklänge, und nach innen gerichtete Lyrismen auf heftige Implosionen, als ob eine Welt zusammenstürzen wollte. Dabei ist es doch „nur“ ein Kammerensemble der Heidelberger Philharmoniker, das die Theater-Experimentierstätte „Zwinger“ so pulsierend  erfüllt. Das aber scheint wesentlich das Verdienst der jungen, neu in Heidelberg engagierten Kapellmeisterin Mirga Gražinytė zu sein, die dermaßen punktgenau und federnd zugleich schlägt, dass die Musik in ihrer Unmittelbarkeit aufblüht und ihre Hintergründigkeit offenbart.

Die Premierenbesucher waren von dieser Uraufführung überzeugt, ja begeistert.

Eckhard Britsch






 
Fotos: Klaus Fröhlich