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Fakten zur Aufführung 

OTELLO
(Giuseppe Verdi)
18. März 2011 (Premiere)

Theater Heidelberg


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Mörder im Smoking

Wieder setzt das Theater Heidelberg - nicht nur der Gage, sondern der Innovationen wegen - auf einen Nachwuchs-Regisseur. Alexander Fahima (30) hat Verdis Otello auf eine surreale Ebene versetzt, die Zeit und Raum abstrahiert, dafür aber einen (unterstellten) Autismus dieser Titelfigur herauskehrt. Denn Otello kann im Heidelberger Opernzelt als Emporkömmling aus eigener Kraft, wird er doch als erfolgreicher Feldherr geachtet, nicht aus seiner Mohren-Haut: Er muss scheitern, weil er sich seiner selbst nicht gewiss ist. Was zwanghaft zur Folge hat, dass er Desdemonas vorbehaltloser Liebe nicht gewiss sein darf.

Auch die Bühne von Bart Wigger und die Kostüme von Reinhard von der Thannen unterstützen mit kalter Schwarz-Weiß-Optik in Guckkasten-Manier den Blick auf die Vereinsamung der Figuren. Jago zum Beispiel, üblicherweise ein abgründiger Intrigant wegen der Wut über den militärischen Karriere-Knick, ist hier ein interessanter Typ, der wie ein Wissenschaftler wissen möchte, wie weit er in seinen manipulativen Ideen gehen kann; zudem ein Komödiant, denn die Gefühle der Menschen bedeuten ihm nichts, weil alles Spiel ist, auch wenn ihn am Ende vor dem Ergebnis seines Handelns schaudert. Immerhin hat er Mord und Selbsttötung auf dem Gewissen. Das hat im Heidelberger Opernzelt durchaus imaginative Wirkung, auch wenn einen die Szene anmuten mag, als ob sie in dieser Sichtweise beliebig auch auf andere Opern passen könnte. Doch ist es wieder großartig, wie hier mit den begrenzten technischen Möglichkeiten einer „Behelfs“-Bühne umgegangen wird.

Aus dem Graben schallte es faszinierend, denn der (immer noch) sehr junge Generalmusikdirektor Cornelius Meister lässt Verdis Musik mit den Heidelberger Philharmonikern in grandiosem Feuer aufblitzen, kann dabei auf untadelige Sängerführung verweisen und macht alle Emotionen klangfest und dadurch dinglich. Dazu kommt ein bemerkenswertes Gesangsensemble und vor allem ein von Jan Schweiger einstudierter, groß auftrumpfender Chor, der auch über „taktfeste“ Choreographien (Michael Bernhard) das allzu menschliche Leben konterkariert.

Mit seinem Rollendebüt sang sich Ray M. Wade Jr. gastierend in den Vordergrund; ein (dunkelhäutiger) Mohr von mächtiger Statur, der Otellos Wut als Folge der Vereinsamung interpretiert und dabei beeindruckende, heldentenorale Töne anschlägt, auch wenn einige Engstellen auffallen und noch Facetten fehlen mögen. Ein Eifersuchts-Mörder im Smoking. Als Desdemona ist Hye-Sung Na seit ihrer Butterfly-Überraschung vor Jahren eine feste Größe am Haus; eine sängerisch attraktive Besetzung, allerdings ohne samtene Zartheit in den nach innen gerichteten Phrasen. Interessant ist Michael Bachtadze als Jago: Zwar kann der bösartige Furor vermisst werden, aber sein Charakterbariton füllt die Regie-Idee des eher beobachtenden Manipulators und Moderators sehr gut aus. Aaron Judisch (Cassio), Eleazar Rodriguez (Roderigo), Wilfried Staber (Ludovico), Amadeu Tasca (Montano/Herold) und Carolyn Frank (Emilia) formen ihre Partien angemessen.

Das Premierenpublikum goutierte die Heidelberger Otello-Sicht mit stürmischem Beifall.

Eckhard Britsch

 







Fotos: Markus Kaesler