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Fakten zur Aufführung 

IL TRITTICO
(Giacomo Puccini)
10. Juni 2012
(Premiere am 2. Juni 2012)

Staatsoper Hannover

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Dreieinigkeit auf dem Prüfstand

Puccinis Il Trittico ist sicher das ungewöhnlichste Operngebilde des Komponisten. Die drei Einakter Il Tabarro, Suor Angelica und Gianni Schicchi sind ursprünglich – die Uraufführung ist im Dezember 1918 in New York über die Bühne gegangen – als geschlossene Einheit gedacht, haben sich als solche aber lange Zeit nicht recht auf den Opernbühnen durchsetzen können. Dass die drei Stücke wieder diesem zusammengehörigen Gedanken folgend hintereinander aufgeführt werden, ist eine Entwicklung der jüngeren Zeit. Dabei wirkt es sinnfällig, die drei Opern beieinander zu lassen. Der äußere Rahmen scheint erst einmal ganz unterschiedlich. Im ersten Stück geht es um eine düstere Geschichte aus dem Schifffahrer-Millieu auf der Seine in Paris, eine unglückliche Liebe zwischen Michele und Giorgetta, durchbrochen von ihrem Liebhaber Luigi, der am Ende von Michele umgebracht wird. Im zweiten Stück geht es um die Abgeschlossenheit des Kosterlebens, durchbrochen von der Nachricht des verstorbenen Kindes, dessentwegen – es ist unehelich – Angelica vor sieben Jahren ins Kloster gegangen ist und nun die Vereinigung mit ihrem Kind durch Freitod sucht. Schließlich eine erbschleichende Familie, die mit dem Testament ihres verblichenen Onkels nicht einverstanden ist und durch den listigen und gerissenen Gianni Schicchi das Testament fälschen will – mit dem Ergebnis, dass Schicchi sich selbst als Begünstigten einsetzt.

In diesen Geschichten gibt es bei allen Gegensätzlichkeiten eine Reihe von Motiven, die immer wiederkehren. Tod steht da an erster Stelle, ein gestorbenes gemeinsames Kind des Paares Michele-Giorgetta löst auch im Tabarro die dramatische Handlung erst aus – er bringt nämlich deren Liebe zum Erkalten – und bestimmt hier wie da den dramaturgischen Kern. Viele weitere Parallelen ließen sich finden, die sich in einer szenischen Interpretation durchaus wiederfinden können. Regisseur Sebastian Baumgarten lässt hier jedoch viele Chancen ungenutzt.

Verbindendes Element ist das Einheitsbühnenbild von Alexander Wolf. Ein drehbarer Kasten, der von den Längsseiten ein Schiff sein könnte, an einer der schmalen Seiten von einem halbrunden Vorhang begrenzt wird, der einen Raum für verhangene und verhängnisvolle Szenen bietet. Videoprojektionen, nicht immer gut lesbare Textprojektionen, auch einmal politischen Inhalts, und Lichteffekte bringen die Variationen in diesen Raum. Wo in dieser Verbindung aus Szene und Projektionen mitunter – vor allem in Suor Angelica – durchaus sehenswerte Momente entstehen, enttäuscht eine nicht immer überzeugende und oft unklare Personenregie. Die macht es im Tabarro recht schwer, der Handlung zu folgen. Die an populäre Piratenfilme erinnernden Kostüme von Marysol del Castillo verharmlosen das Geschehen. Da überzeugen das leuchtende Rot der Schwestern um Angelica und die zwischen Spießbürgertum und Transvestiten schwankenden Kostüme der Familie in Gianni Schicchi schon eher. Warum im letzten Einakter der Titelprotagonist, wenn er sich, um das Testament zu fälschen, als der gestorbene Onkel ausgibt, als Anspielung auf Mussolini verkleiden muss, ist eines der vielen Details des ganzen Abends, die sich nicht entschlüsseln lassen. Es mangelt der Aufführung nicht an Lebendigkeit, doch Sebastian Baumgarten kann die Fülle seiner Einfälle nicht auf eine Linie bringen, kann kaum sinnhafte Verbindungen zwischen den drei Opern herstellen und spart leider auch die eine oder andere Plattitüde nicht aus.

Für den starken musikalischen Eindruck, den der Abend hinterlässt, sorgt vor allem Hannovers GMD Karen Kamensek. Mit überwiegend straffen Tempi und differenzierter Dynamik hat sie Orchester und Bühne sicher im Griff. Sie lässt die üppigen Klangfarben voll ausspielen, betont die mitunter berückend schönen Lyrismen etwa in Suor Angelica, die schroffen Passagen im Tabarro und den subtilen Witz in Gianni Schicchi mit großer Hingabe, bewahrt Puccinis Musik dabei erfreulich davor, süß oder sentimental zu werden. Und sie trägt ihr Ensemble förmlich auf Händen. Da muss niemand Angst haben, in den Wogen unterzugehen. Unter den zahlreichen Solisten der drei Stücke bleibt allen voran Miriam Gordon-Stewart als Angelica im Gedächtnis. Das Schicksal der wegen ihres unehelichen Kindes ins Kloster verbannten Frau, die an der Nachricht dessen Todes zerbricht, macht sie mit leuchtenden, fein ausbalancierten lyrischen Phrasen und zugleich dem nötigen Volumen ihres groß aufblühenden Soprans mehr als nachvollziehbar.

Stefan Adam liefert als Gianni Schicchi mit profundem, klar artikulierendem Bariton eine köstliche Charakterstudie. Als Protragonistentrio im Tabarro ergänzen sich Brian Davis mit etwas rauh timbriertem und charakterstarkem Bariton als Michele, Kelly God als mit leidenschaftlichem Sopran nach Liebe suchende Giorgetta und Vincent Wolfsteiner als zwielichtiger Luigi mit strahlkräftigem Tenor bestens.

Aus dem großen Solistenensemble, das durchweg auf hohem Niveau agiert, seien stellvertretend noch Khatuna Mikaberidze als Frugola im Tabarro und später als Principessa in Suor Angelica und Ania Vegry als Lauretta in Gianni Schicchi, die mit O mio babbino caro das einzige zum Ohrwurm gewordene Stück des Triptychons mit lyrischem Schmelz ausstattet, erwähnt. Dan Ratiu hat Chor und Kinderchor der Staatsoper mit der gewohnten Souveränität einstudiert.

Am Ende gibt es zwar einhellig zustimmenden Beifall für alle Solisten und Karen Kamensek, der Applaus ebbt jedoch rasch wieder ab. Der Funke ist nicht recht übergesprungen, die Regie zündet nur bedingt. Die musikalische Qualität der Produktion kann zwar einiges dagegenhalten. Insgesamt bleibt das Potenzial, das in diesem Opern-Dreigestirn steckt, auf der Strecke.

Christian Schütte



Fotos: Thomas M. Jauk