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Fakten zur Aufführung 

STREET SCENE
(Kurt Weill)
11. Februar 2013
(Premiere am 9. Februar 2013)

Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover


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Endstation Hoffnung

Eine Oper mit Musical-Tendenz ist eher ungewöhnlich. Fast möchte man meinen, bei Kurt Weills Street Scene handele es sich um ein Musical mit Opern-Tendenz. „Eine wirkliche Verbindung von Drama und Musik, in der das Singen auf natürliche Weise dort einsetzt, wo das Sprechen aufhört; und das gesprochene Wort ebenso wie die dramatische Handlung eingebettet ist in eine übergreifend musikalische Struktur“ wollte Weill schaffen, außerdem den „Traum einer Amerikanischen Oper“ verwirklichen.

Im New Yorker Armutsviertel Brooklyn geht es im Sommer 1946 hoch her. Mrs Maurrant ist unglücklich verheiratet und betrügt ihren Ehemann mit dem Milchmann Sankey. Ihre Tochter Rose verliebt sich in den Jurastudenten Sam Kaplan. Mr Maurrant erwischt Ehefrau und Liebhaber und erschießt kurzerhand beide, woraufhin Rose ein neues Leben ganz woanders und ohne Sam beginnen will. Sämtliche Handlungen werden von den Nachbarn kritisch beäugt und ständig kommentiert, weil es sonst nichts Aufregendes in dem Leben gibt, das von Hoffnungslosigkeit, Elend und Kriminalität geprägt ist.

Sofort ins Auge fallen die Gerüstbauten an den Bühnenseiten, die die New Yorker Gebäude mit den typischen, an den Außenwänden angebrachten Feuertreppen darstellen. Eine originelle Idee von Anna-Katharina Marek und Timo Schröder, die den Sängern auf diese Weise viel Platz lassen, sich in dem dadurch entstehenden Hof ausreichend bewegen zu können.

Jana Fritze, Clara Hedwig und Sabine Schröder verbinden die Einfachheit der Menschen schön mit ihrer schlichten Kleiderauswahl. Da das Geschehen im Sommer spielt, tragen die Darstellerinnen hauptsächlich einfarbige Kleider, die Herren legere Hosen, Hemden und Hüte. Lediglich der Jurastudent und seine Familie mit schickem, weißen Hemd und dunkler Hose stechen hervor.

Matthias Remus stemmt mit den Gesangsstudenten vom ersten bis zum zwölften Semester und dem Kinderchor unter der Leitung von Janette Schmid die Aufgabe, Gesang und Tanz miteinander zu verbinden. Die revueartigen Passagen, mit denen er die ernste Handlung immer wieder auflockert, wirken nicht gekünstelt, die Darsteller beherrschen den Hang zum Musical.

Das Stück ist anfangs aufgrund der unglaublich hohen Personenanzahl noch etwas verwirrend, aber die Entwirrung gelingt gut. Nach und nach kristallisiert sich heraus, dass zwei Nachbarinnen tonangebend sind. Die Tragik und Ausweglosigkeit, die in Mrs Maurrants Seitensprüngen steckt, verurteilen sie, obwohl auch sie nicht wirklich glücklich in ihren Beziehungen sind. Hier ist besonders Judith Utz ein großes Kompliment zu machen. Sie spielt die Rolle der mürrischen und gehässigen Nachbarin Emma Jones konsequent und überzeugend.

Jaegyeong Jo gibt den fiesen, angetrunkenen Ehemann Frank Maurrant. Sein Schauspiel und sein klangvoller Bassbariton machen richtig Spaß, denn man spürt, dass er sich mit seiner Rolle intensiv auseinandergesetzt hat. Er schlurft herrlich lustlos über die Bühne und ist seiner Frau gegenüber mal brutal, mal gleichgültig. Sarah Lewark schlüpft in die Rolle der Mrs Maurrant. Sie erträgt ihr Schicksal, dem sie immerhin ab und zu mit dem Milchmann entrinnen kann. Anna Bürk in der Rolle der Tochter Rose glänzt mit ihrem lyrischen Sopran. Sie hat eine unglaublich eigene, weiche und trotzdem starke Stimme, die ihrem schauspielerischen Charakter entspricht. Ihr geliebter Jurastudent, dargestellt von Bonjin Goo, geht zwischen den stimmlich präsenteren Charakteren leider etwas unter. Die Sprachbarriere, die mit so viel Dialog einhergeht, meistert er aber sehr gut.

Leider gehen Teile der Handlung in der recht lauten Orchestermusik unter. Kurt Weill mochte den gesprochenen Dialog über der Orchestermusik – das kennt man aus den alten amerikanischen Musikfilmen –, aber die Darsteller bringen nicht immer genügend Stimmvolumen mit.

Die Orchesterleitung hat Martin Brauß, der den Spagat zwischen ernster und heiterer Musik fantastisch meistert. Von Stück zu Stück führt er sein Orchester mal in den Bereich des Swing oder lässt die Bläser eine fetzige Bluesnummer spielen, im nächsten Moment ist er wieder den Traditionen des großen europäischen Musikdramas verhaftet.

Street Scene macht durch die Mischung aus Oper und Musical einfach Spaß. Ein gelungener Auftritt für die Musikstudenten, der für kräftigen Applaus sorgt.

Agnes Beckmann





Fotos: Michael Joos