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Fakten zur Aufführung 

IM SCHATTEN DES MAULBEERBAUMS
(Edvard Rushton)
7. Mai 2013
(Premiere am 6. April 2013)

Junge Oper Hannover


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Ein buntes Durcheinander

Wer zuletzt lacht, lacht am besten – so könnte man den Inhalt der Oper Im Schatten des Maulbeerbaums wohl beschreiben. Ein Wanderer lässt sich im Garten der Familie Bim – genauer gesagt im Schatten des Maulbeerbaums – nieder, was vor allem dem Sohn Wim gefällt. Der wird von den Nachbarskindern nämlich gehänselt und von seinen Eltern vernachlässigt – im Wanderer findet er einen Freund. Vater Bim ist allerdings alles andere als begeistert von dem Eindringling und verscheucht ihn rüde. Doch der Fremde ist klever und kauft Familie Bim den Schatten ab. Herr Bim wittert das Geschäft seines Lebens – hat aber nicht bedacht, dass ein Schatten wandert... Da sitzt der Wanderer auch mal im Esszimmer der Familie und bringt ihr Leben ganz schön durcheinander. Für Wim ist er eine Bereicherung, erklärt er ihm doch die Phänomene der Natur. Für die restlichen Bims wird er zur Qual. Das geht so weit, dass sie sogar ausziehen wollen und dem Alten den Garten überlassen. Doch da ist er plötzlich verschwunden.

Die hier erzählte Geschichte ist einem chinesischen Märchen entnommen und berührt zentrale Punkte im Leben einer Familie, die ein Fixstern in bewegten Zeiten ist, so ein Liedtitel. Es geht um die Wertschätzungen des anderen, ums Zuhören und  dass ein eigennütziges Geschäft selten dem Eigennützigen hilft. Für die deutsche Erstaufführung an der Staatsoper Hannover hat Komponist Edward Rushton eigens eine neue Fassung für reduzierte Orchesterbesetzung geschrieben.

Regisseur Martin G. Berger muss in eine Geschichte mit rotem Faden viele kleine Episoden spannen: vom Boxkampf des Vaters mit dem Wanderer, für den mittels eines Bettlakens ein Kampfring entsteht; von Seidenraupen in Gestalt zweier Darstellerinnen, die verschiedene Naturphänomene erklären; von varietégleichen Schauspielern, die durch die Reihe der Kinder gehen und ihnen schwarze Punkte auf die Nase malen, was natürlich von großem Gelächter begleitet wird, bis zur echter Torte im Gesicht der Mutter. Aus der Sicht eines „großen Zuschauers“ wirkt das leider alles extrem konstruiert, verworren und lediglich abzielend auf das Lachen der Kinder – was ja, wenn man es so betrachtet, gar nicht schlecht ist. Immerhin werden diese zu Hause womöglich erzählen, dass Oper etwas Cooles, Lustiges ist.

Schön sind Kostüme von Silke Bornkamp und Bühnenbild von Sarah-Katharina Karl zu betrachten. Die Bühne verwandelt sich mit Hilfe angemalter Kartons in eine Gartenkulisse. Die Kartons werden in einer späteren Szene umgeworfen, von den Darstellern kreisförmig gestapelt, und es entsteht in der Mitte ein Pappkartonbaum. Die Kostüme sind sorgsam ausgewählt. Mal tauchen feengleiche Frauen in wallenden weißen Kleidern auf, dann wieder tragen alle Darsteller glitzernde Kopfbedeckungen und allerlei bunte Kostüme, sogar auf Stelzen gehen einige, um ein Varieté darzustellen, oder es tauchen Waldgeister in starken Grüntönen auf.

Darstellerisch und gesangstechnisch ist diese Aufführung besonders für Vater Bim eine Herausforderung. Da Michael Chacewicz kurzfristig erkrankt ist, muss Regisseur Berger selbst einspringen, Studienleiter Robert Roche übernimmt den Gesangspart. Berger macht das wunderbar, mit starker Mimik und entsprechenden Mundbewegungen lässt er fast vergessen, dass er nicht der Sänger ist. Gesanglich sticht Frau Bim, Anna Bineta Diouf, hervor. Ihr starker Mezzosopran ruft ihren Sohn öfter mal zur Ordnung auf, gehorchen soll er und sich gut benehmen. Dass sie sich selbst fast vom Gemeindepräsidenten verführen lässt, spielt keine Rolle. Edward Mout als Wim kommt mit seinem dünnen Tenor leider nicht gegen das Orchester an. Den stimmlich und darstellerisch präsentesten Part hat Nicolas Kröger als alter Mann. Es muss ja auch so sein – sein Eindringen macht die Routine im normalen Familienleben hintergründig. Krögers Bass schwebt stets zwischen cooler Ruhe und unterschwelliger Bedrohung und fordert die anderen Stimmen unmerklich zum Wetteifern auf. 

Musikalisch kann Orchesterleiter Mark Rohde überzeugen. Die Einsätze kommen präzise, und er hat die gespaltene Rolle des Vaters wunderbar im Griff. Sämtliche Gesangsparts sind mit neuer Musik unterlegt, die von Streichern, Harfe, Xylophon, Klavier, Klarinette und Querflöte gespielt wird. Beinahe das gesamte Werk ist außerordentlich melodisch und tonal. Sanfte Parts der Mutter wechseln sich mit hitzigen Gesangsszenen zwischen Wanderer und Vater ab, dann wieder werden Lieder fast malerisch begleitet. Höhepunkt ist sicherlich Das Lied vom Maulbeerbaum, ein poppig-jazziges Stück mit raumeinnehmendem Chor.

Nach einer Stunde und fünfzehn Minuten gibt es großen Applaus und Jubel für die Darsteller. Das interaktive Agieren hat den Kindern sichtlich Freude gemacht, und aufgeregt quasselnd und fröhlich verlassen sie die Darstellung. Und es gibt sogar eine Nachricht für alle Besucher: Die Familie ist das Wichtigste und unumstößlich. Ob das nur von den „großen Leuten“ oder auch von den „kleinen“ verstanden wird, bleibt offen.

Agnes Beckmann







Fotos: Lena Obst