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Fakten zur Aufführung 

RHEINGOLD
(nach Richard Wagner, Musiktheater-Projekt von David Marton)
(14. Juni 2011)
(Uraufführung:
28. Mai 2011, Dresden)

KunstFestSpiele Herrenhausen
Galerie, Herrenhäuser Gärten


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Eine Sekte im Wagner-Wahn

Der ungarische Theaterregisseur David Marton beschäftigt sich in seinen Produktionen immer wieder und viel mit Musik. Den Weg zu Richard Wagner fand er zum ersten Mal in Frank Castorfs Meistersinger-Inszenierung.

Nun hat er sich mit dem Ring beschäftigt und daraus eine gut zweistündige Version des Rheingoldes entworfen, eine Koproduktion der KunstFestSpiele mit dem Staatsschauspiel Dresden, den Dresdner Musiktagen und den Wiener Festwochen. Es ist nicht Rheingold pur, er verwendet Texte aus den anderen Ring-Teilen ebenso wie Auszüge aus weiteren Schriften Wagners, aus einem Text Otto Weiningers sowie Gedichte von Heinrich Heine. Was Marton gemacht hat, ist nicht eine Version des Rheingolds. Es ist ein Stück Musik-Theater, was die Auseinandersetzung mit Wagners Werk thematisiert. Zu sehen ist eine Gruppe von Menschen, die in einem zweigeschossigen Haus lebt. Bühne und Kostüme stammen von Alissa Kohlrusch. Der obere Raum ist eine Art Bibliothek, der untere eine Art Wohn- und Musizierzimmer mit Flügel und einem großen Aquarium in der Mitte. Zu sehen ist eine Gesellschaft, die die Beschäftigung mit Richard Wagner als Ritual vollzieht, was mal komisch, mal schräg, mal laut, mal leise – in jedem Fall also sehr vielfältig ist. Es ist eine Art Sekte, die sich bunt, in nicht besonders miteinander harmonierenden Farben, oder aber etwas schäbig und verlottert kleidet. Der Vollzug des Rituals entwickelt sich zu einem Selbstläufer, der die Geschichte des Rheingoldes in den wesentlichen Zügen umfasst, ohne sie dabei im eigentlichen Sinn nachzuerzählen. Texte werden zwischen Rollen getauscht, Motive auch mal falsch zugeordnet. Eine Mixtur zwischen skurrilem, verrücktem, absurdem, albernem und manchmal einfach lautem Theater entsteht dadurch. Wer allerdings die Geschichte des Rheingoldes nicht kennt, hat sicher Schwierigkeiten, das eine oder andere Detail zu verstehen.

Musik-Theater versteht Marton im wörtlichen Sinn. Er hat den Abend zusammen mit Jan Czajkowski, Martin Schütz und Christoph Homberger entworfen. Czajkowski ist der Mann am Flügel, im schwarzen Anzug, der einen bunten Blumenstrauß der wichtigsten Motive ins Geschehen einwerfen darf. Martin Schütz laboriert – im weißen Kittel – an seinem elektronischen Cello einen zwar dem Original angelehnten, aber doch recht gewöhnungsbedürftigen Wagner-Sound.

Das Schauspieler-Ensemble hat sichtlich großen Spaß an dieser nicht alltäglichen Aufgabe, und so sind Max Hopp als Wotan, Benjamin Höppner als Alberich, Yelena Kuljic als Loge, Olivia Grigolli als Fricka, Mila Dargies als Freia, Stefko Hanushevsky und Wolfgang Michalek als Fasolt und Fafner und Cathleen Baumann als Wellgunde mit viel Energie dabei und haben keine Schwierigkeiten damit, ihren Text überwiegend singen und nicht wie gewohnt sprechen zu müssen. Die einzige „richtige“ Sängerin zwischen ihnen ist Yuka Yanagihara als Flosshilde, die mit klangvollem Mezzosopran nicht nur Teile der dritten Rheintochter singen muss. Inmitten dieser Schar, vielmehr am Rand in einer winzigen Kammer, sitzt der famose Christoph Homberger als Dirigent, der auch immer mal wieder selbst sängerisch eingreift, und hat den wilden Haufen an Wagner-Wütigen zu koordinieren. Dabei entstehen einige Szenen, die einfach von umwerfender Komik sind. Die mehrfachen Einwürfe „Keine Arien“ nimmt nicht nur den Wagner-Gesang, sondern auch das entscheidende Moment, dass Wagner tatsächlich das Prinzip einzelner Nummern wie Arien überwunden hat, in den ironischen Fokus.

Das Publikum war von diesem ungewöhnlichen und sehr zum Nachdenken anregenden Theaterprojekt offenbar recht angetan. Es gibt sicher keine einzige Lösung, wie David Martons Arbeit aufzufassen und zu interpretieren ist. Das will der Regisseur sicher auch nicht. Wer sich in der Materie, in Wagners Libretto zum Rheingold zumal, ein wenig auskennt, der kann ohne Zweifel in einigen Momenten zum Schmunzeln und Sinnieren über Wagner kommen. Und das kann ja mitunter ganz wohltuend sein.
Herzlicher Beifall am Ende für alle Beteiligten.

Christian Schütte

 



 Fotos: Hassan Mahramzadeh