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Fakten zur Aufführung 

L'OPERA SERIA
(Florian Leopold Gassmann)
12. September 2012
(Premiere am 9. September 2012)

Staatsoper Hannover,
Galerie Herrenhausen


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Außen ernst, innen heiter

Eine neue Oper wird unter enormem Stress an einem Tag geschrieben, geprobt und aufgeführt. Sie ist ein großer Misserfolg." So kündigt das Programmheft Florian Leopold Gassmanns immerhin drei Stunden währende L'Opera Seria an. Eine ernste Oper – das meint Opera seria ja – und so ein fröhlicher Einleitungstext – da stimmt doch irgendwas nicht. Und tatsächlich verbirgt sich hinter dieser ernsten Oper eher eine Opera buffa, eine komische Oper. Der Wiener Hofkapellmeister Gassmann hat das Werk 1769 zur Uraufführung gebracht. Zu diesem Zeitpunkt war die Beliebtheit der Opera seria schon längst zugunsten der Opera buffa in den Schatten gestellt, sie diente letztgenannter höchstens noch als Spottobjekt. So auch bei Gassmann, der mit seinem Werk nicht nur die Oper, sondern den ganzen Opernbetrieb parodiert.

Und so streiten sich denn der Librettist, Komponist, Impresario und auch die Sänger und Tänzer untereinander. Wer ist der wichtigste unter ihnen, wessen Arie ist – natürlich höchst subjektiv – zu kurz geraten und warum kann der Startenor bloß nicht lesen?

Auf einer langen Bühne im Galeriegebäude Herrenhausen können sich die Darsteller wie bei einer Modenschau auf dem Laufsteg präsentieren. Michiel Dijkema hält die Bühne zugunsten der Kostüme schlicht. Hier hat sich Claudia Damm mächtig ins Zeug gelegt. Eine Kopfbedeckung jagt der anderen den Rang ab, von Federbüscheln bis zu Lampenschirmen tragen die Darsteller die schrägsten Dinge auf ihren Köpfen herum. Aber auch die Kleider sind herrlich skurril. So sieht der erste Sänger Ritornello eher aus wie eine dicke Biene als ein General über das mogulische Heer. Das Augenmerk fällt besonders auf die nachgebauten riesenhaften Tiere: So beeindruckt Claudia Damm durch einen unglaublich echt wirkenden Elefanten, der von zwei Personen im Inneren bewegt wird.

Sämtliche Darsteller finden sich hervorragend in ihre Rollen ein. Frank Schneiders Bassbariton strömt eine raumfüllende Sicherheit aus, trotz Aufregung behält er die Contenance. Ivan Turšić gibt den Komponisten Sospiro. Sein Tenor muss sich so manches mal mit Christopher Tonkins Bariton messen, wenn beide ihren Willen durchsetzen wollen. Beide agieren dabei sehr souverän. Schauspielerisch phantastisch ist Sung-Keun Park, der in der Rolle des Ritornello aufblüht. Stimmlich etwas dünn gleicht er seinen Gesang aber durch die Koloraturen, die so oft zu lautmalerischen Wörtern werden, und durch sein großartiges Schauspiel wieder aus. Er gibt sich so herrlich ungeschickt, dass sein Auftritt stets von Lachern begleitet ist. Die Primadonna Stonatrilla, Romana Noack, wetteifert mit ihren Sängerkolleginnen. Sie hat neben ihrem schönen Timbre und dem eleganten Gesang mit sehr präzisen Koloraturen auch tänzerische Qualitäten vorzuweisen. Carmen Fuggiss als zweite Sängerin Smorfiosa kann bestimmt, aber auch zart-romantisch singen, ebenso wie Ania Vegry als Porporina, die mit ihrem warmen Sopran Ritornello bestimmt um den Finger hätte wickeln können – wenn er nicht schon an Smorfiosa vergeben gewesen wäre.

Das Orchester sitzt in der Mitte des Galeriegebäudes und wird mit seinem Dirigenten Mark Rohde zum Teil des Schauspiels. Im ersten Akt trägt dieser normale Kleidung, schließlich befindet sich sein Orchester noch in der Probephase. Er interagiert mit dem Impresario und dem Komponisten und hat – wie sein Lächeln ausdrückt – sichtlich Spaß daran. Diese Freude überträgt sich auf die Orchestermusiker, die die Stücke lebhaft begleiten. Aber auch romantisch-zarte Töne lassen sie erklingen.

Michiel Dijkema setzt in seiner Inszenierung auf die Komik der Streitigkeiten der Eitelkeit. Liebesgeschichten wie die zwischen Ritornello und Smorfiosa thematisiert er nur ganz am Rande. Das Publikum dankt ihm das und freut sich auch darüber, dass es aktiv mitmachen und die Oper nach einer kurzen Lehrstunde ausbuhen darf – bis die Stuckdecken bröckeln. Ausgelassenes Lachen überall, während und nach dem Stück, und viel Applaus für die Schauspieler machen diese Oper zu einem gelungenen Saisonauftakt für die Staatsoper Hannover.

Agnes Beckmann

Fotos: Thomas M. Jauk/Stage Picture