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Fakten zur Aufführung 

EIN MASKENBALL
(Giuseppe Verdi)
14. September 2013
(Premiere)

Staatsoper Hannover


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Ein Bühnentraum

Ein Drama über Leben und gewaltsamen Tod des schwedischen Königs Gustav III. ist der historische Stoff, auf dem Giuseppe Verdis Ein Maskenball basiert. Ursprünglich als Auftragswerk für das Teatro San Carlo in Neapel geplant und 1857 in den letzten Zügen der Fertigstellung begriffen, passierte der auf einer Vorlage von Eugène Scribe basierende Text jedoch nicht die Zensur, die am Thema eines Attentats auf ein Staatsoberhaupt Anstoß nahm. Verdi blieb standhaft und lehnte alle Änderungswünsche ab, die das Geschehen in eine ferne Vergangenheit verlegen wollten. Er scheiterte ein weiteres Mal an der Zensur, dieses Mal sträubte sich der Papst in Rom gegen die Handlung, und so wurde diese schließlich ins ferne Boston verlegt und der schwedische König in einen britischen Gouverneur verwandelt.

Doch so sehr geht es gar nicht um Politik, vielmehr stehen Verstellung und die Unterdrückung echter Gefühle im Mittelpunkt des Geschehens: Riccardo liebt Amelia, die Frau seines besten Freundes. Amelia liebt Riccardo. Und obwohl sie sich hinter Masken verstecken und unentdeckt bleiben wollen, kann eine solche Liaison natürlich nicht gut ausgehen.

Die Wirkung der Maske ist hauptsächlich eine nach außen. Sie schafft eine Figur und damit eine Distanz zum Betrachter, dahinter wahrt sie ihr Geheimnis. Regisseur Olivier Tambosi setzt auf Clowns, statt auf „normale“ Masken. Und das schon zu Beginn und konsequenterweise bis zum Schluss. Eine schöne Idee, verdeutlicht sie doch die Maskerade, das Unnahbare, so sehr. Wer ist auch hinter der Verkleidung Freund, wer ist getarnter Feind? Allerdings kann diese Holzhammer-Methode auch erschlagen, besonders im zweiten Akt während der Friedhofsszene.

Die kostümtechnische Umsetzung gelingt Carla Caminati hervorragend. In bunte Clownskostüme steckt sie die Nebendarsteller, während Wahrsagerin Ulrica in einem wunderbar weit ausladenden und mit Stickmustern versehenen, schwarzen Kleid auftritt. Höhepunkt ist sicherlich ihr bleiches Make-up, das die Knochen betont und aussieht, als wäre sie der Tod höchstpersönlich.

Die Figuren bewegen sich vor einer halbrunden Theaterkulisse mit vielen Logen und kleinen erleuchteten Lampen. Bengt Gomérs Bühnebild ist einmalig schön, man kann sich kaum an ihm sattsehen. Die einzelnen Logen werden von den Clowns bevölkert, später aber auch von den Blasmusikern, die tatsächlich von dort musizieren. Und wie sie das tun!

Denn das Drama, die zwischen Begehren und Gewissensqual wechselnden Gefühle der beiden Hauptfiguren, vollzieht sich vor allem in der Musik: Musikalische Kontraste, scharfe Punktierungen und Synkopenbildungen bringen die Intensität der Gefühle zum Ausdruck. Dirigent Mark Rohde hat sein Niedersächsisches Staatsorchester gut im Griff. Er interpretiert Verdis Musik farbig und mit Leidenschaft und lässt die Bläser, aber auch die Streicher in ihrem Walzerrhythmus während des Maskenballs zu Höchstform auflaufen.

Das gelingt auch den Darstellern. Stefan Adam gibt den Renato, der zwischen wahrem Freund und bitterbösem Feind schwankt, der sich als Betrogener sieht und nachher sein vorschnelles Handeln erkennen muss. Sein dunkler, ausdrucksstarker Bariton ist so wandelbar wie die Figur, die er verkörpert. Riccardo wird vom mexikanischen Tenor Rafael Rojas gespielt. Durch alle Lagen singt er weich und ebenmäßig, in den Höhen glänzt er eindrucksvoll. Seine Geliebte Amelia, verkörpert von Brigitte Hahn, begeistert besonders in den verzweifelten Momenten, so beispielsweise am Schluss, als sie ihren Gatten bittet, den Sohn noch einmal sehen zu dürfen. Ihre Arien Ecco l’orrido campo und Ma dall’arido stelo divulsa sorgen für rauschenden Szenenapplaus. Auch die zutiefst unnahbare und gespenstische Julie-Marie Sundal verleiht ihrer Figur in Mimik, Gestik und Gesang viel Ausdruckskraft und Präsenz. Das Herz des Publikums hat aber eindeutig die quirlige Heather Engebretson als Page Oscar, stimmgerecht in eine Frau verwandelt, erobert. Sie sprudelt fast über vor Agilität, ihre Stimmführung ist sicher in den Spitzentönen und beweglich in der Stimmführung.

Zusammen mit dem selbstsicher auftretenden, stimmlich harmonischen Chor unter der Leitung von Dan Ratiu wird der Abend zu einem tollen und besonders durch das Bühnenbild beeindruckenden, mit viel Applaus honorierten Saisonauftakt für die Staatsoper Hannover.

Agnes Beckmann

Fotos: Thomas M. Jauk