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Fakten zur Aufführung 

DIE KRÖNUNG DER POPPEA
(Claudio Monteverdi)
13. Februar 2012
(Premiere am 11. Februar 2012)

Hochschule für Musik,Theater und Medien Hannover


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Im Strudel der Gefühle

Claudio Monteverdi ist mit seinem letzten Bühnenwerk Die Krönung der Poppea eine kleine Revolution in der Operngeschichte gelungen. Zum ersten Mal geht es im Libretto nicht vorwiegend um Götter oder mythologische Gestalten. Es geht um Menschen aus Fleisch und Blut. Kaiser Nero hat sich in Poppea, die Gattin Ottones, verliebt und will sie anstelle seiner Frau Ottavia zur Kaiserin machen. Bevor das am Ende gelingt, muss Poppea Ottone verstoßen. Nero lässt auf Poppeas Wunsch den an die Moral appellierenden Philosophen Seneca umbringen. Ottone und die leidende Ottavia tun sich zusammen und wollen Poppea ermorden. Das gelingt nicht, beide werden verstoßen und verbannt. Göttergestalten, zumal der die Fäden in der Hand haltende Amor, tauchen als allegorische Gestalten, die die Handlung flankieren, noch auf, aber sie stehen nicht mehr im Mittelpunkt. Es geht um die Gefühle, Emotionen, Triebe und Motivationen der Protagonisten; neben den Hauptfiguren schaffen Monteverdi und sein Librettist Busenello eine ganze Reihe Nebencharaktere, die genau dieses Verwirrspiel der Gefühle immer wieder ausspielen. Den historischen Rahmen aus dem alten Rom einmal beiseite gelassen, wird ganz schnell klar – das ist eine Geschichte von zeitloser Bedeutung, eine tief menschliche Geschichte, die uns heute noch genauso angeht.  

Matthias Remus, Professor für Opernregie an der Hochschule Hannover, hat dafür klare Bilder geschaffen und eine ebenso überzeugende wie detailgenaue Personenregie gefunden, die das Innere der Figuren nachvollziehbar nach außen kehrt. In bewährter Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Hannover, Studiengang Szenographie – Kostüm, sind Bühnenbild und Kostüme entstanden. Für die Bühne zeichnen Katharina Lage und David Rink verantwortlich Auf ansonsten leerer Fläche gibt es nur am linken Rand ein großes, in den Raum hineinragendes Wandelement mit einem beweglichen unteren Teil, das sich im Lauf des Abends im Uhrzeigersinn um die eigene Achse dreht. Das schafft bei aller Einfachheit der szenischen Lösung doch flexible, schnell umformbare Räume. Die Kostüme von Asli Bakkallar und Kirsten Sandvoss sind zeitlos, zeigen die Protagonisten als einerseits junge Menschen, die in ihren „wilden“ Jahren sind und daher manchmal mit ihren Emotionen nicht so souverän umgehen können – Nerone in einer Art Rocker- oder Bikerkluft, Poppea als Verführerin im kurzen roten Kleid und leuchtend roter Kunsthaarperücke, Ottavia im strengen goldenen Ornat und eher hausmütterlich-biederer Frisur. Auch die bei Monteverdi durchaus angelegten komischen Elemente werden betont, etwa durch die schrullige Gestaltung der Arnalta, Poppeas Vertraute, mit spießigem Faltenrock, einer Frisur von vorgestern – und noch dazu wird sie mit Florian Neubauer von einem Tenor wendig und witzig dargestellt. Ottone und Nerone sind dagegen nicht etwa mit männlichen Sopranen oder Alti besetzt, sondern mit jungen Damen. Geschlechtertausch ist im Repertoire der Monteverdi-Zeit ja nichts Außergewöhnliches.

Stimmlich gibt es durchaus Unterschiede im Ensemble, was aber ganz natürlich ist, versammelt die Produktion über 20 Studierende der Opernklasse aus unterschiedlichen Stadien des Studiums. Unter den großen Partien überzeugen vor allem Anna Bineta Diouf als Ottavia mit klar strömendem Mezzo und einer dramatisch-eindringlich gestalteten Klage über ihre Verdammung aus Rom, sowie Julia Bachmann mit leuchtendem Sopran als Poppea, immer wieder mit verführerischen Farben changierend. Meike Albers als Nerone beginnt etwas zaghaft, steigert sich im Lauf des Abends aber immer mehr in die Figur des lustbesessen Herrschers hinein. Ganz ähnlich Alice Hoffmann als Ottone, die erst gegen Ende durch eine bestechende, emotional aufgeladene vokale Linie zeigen kann, welches Potential in ihr steckt. Auch wenn aus ihm wohl kein schwarzer, dunkler Bass werden wird, verspricht Jani Kyllönen als Seneca dennoch mit profunder Tiefe seiner noch insgesamt eher baritonal gefärbten Stimme eine verheißungsvolle Entwicklung. Besonders am Schluss der Aufführung fällt Nadezda Senatskaya als Amore mit kecken, leuchtenden Soprantönen auf. Das übrige Ensemble stellt sich den speziellen vokalen Anforderungen Monteverdis mit großem Elan. Besonders in den kurzen Partien sind einige Stimmen zu hören, deren Potenzial erst noch geweckt werden will. Das ist jedoch die Aufgabe der Hochschule, und aufmerksam hinhorchen und auf die weiteren Entwicklungen gespannt sein lässt sich da unbedingt.

Bernward Lohr hat ein Ensemble ausschließlich aus historischen Instrumenten zusammengestellt, ergänzt um ein paar Gäste von der Hochschule für Künste, Bremen. Er erreicht mit seinen Musikern einen trockenen, mitunter dumpfen, aber gerade dadurch auch vermeintlich authentischen Monteverdi-Klang, der so mit einem Instrumentarium aus der Tradition des 19. Jahrhunderts nie erreichbar wäre. Musiker und Sänger führt er mit souveräner Hand durch die lange und anspruchsvolle Partitur.

Nach über drei Stunden konzentriertem Monteverdi gibt es begeisterten Applaus für alle Beteiligten. Der hannoverschen Hochschule ist ein großer Ensemble-Coup gelungen.

Christian Schütte

Fotos: Nico Herzog