Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

KISS ME, KATE
(Cole Porter)
25. September 2012
(Premiere am 8. September 2012)

Staatsoper Hannover,
Theater am Aegi

Points of Honor                      

Musik

Tanz

Choreografie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Tanzendes Teufelsweib

Kiss me, Kate ist leichter gesagt als getan. Das muss auch Fred Graham, Regisseur, Schauspieler und Leiter einer finanziell angeschlagenen Theatergruppe, erfahren. Er möchte Shakespeares Komödie Der Widerspenstigen Zähmung auf die Bühne bringen, die Hauptrolle hat er mit seiner Ex-Frau Lilli Vanessi besetzt. Durch einen dummen Zufall erhält sie einen Blumenstrauß von Fred, den dieser eigentlich seiner zweiten Hauptdarstellerin Lois schenken wollte. Mit Lois hat er nämlich ein Verhältnis. Alte Gefühle flammen auf, allerdings nur so lange, bis Lilli begreift, für wen die Blumen wirklich sein sollten. Schäumend vor Wut will sie abreisen, aber mit Hilfe von zwei Ganoven zwingt Fred sie zum Bleiben. Ab dem Zeitpunkt wird sie zur wilden Furie und lässt Fred auf der Bühne so manches Mal vor Schmerz aufheulen. Wie diese Geschichte endet, braucht wohl trotzdem nicht erwähnt zu werden.

Kiss me, Kate ist Cole Porters bekanntestes Musical. Kein Wunder, werden hier doch Witz, eine Liebesgeschichte und die mitreißende Musik Porters miteinander verwoben. Das Musical hat über tausend Aufführungen am Broadway erlebt. Mit am Erfolg beteiligt sind Samuel und Bella Spewack, von denen das Buch stammt. Hierzulande wird Kiss Me, Kate meistens in der Übersetzung des Berliner Kabarettisten Günter Neumann aufgeführt. Die Staatsoper bedient sich der auf Neumanns Grundlage basierenden neuen Version Peter Lunds.

Bernd Mottl legt sein Hauptaugenmerk auf das Spannungsfeld, das sich aus der Vermischung der privaten und der Bühnenebene ergibt. Mit Shakespeares eher konservativem Stück, in dem es um die Geschlechterrollen geht, lässt sich heutzutage wenig anfangen. Mottl lässt den Ehekrieg, der hinter der Bühne tobt und der sich immer mehr in den Vordergrund des Stückes drängt, zum Bezugspunkt für den Zuschauer werden. Denn so ein Krieg ist zeitlos, hier geht es um den Machtkampf des Erfolg suchenden Schauspielerpaares und die Verletzungen, die damit einhergehen. Aber auch um die zwischenmenschliche Anziehungskraft und um den Kampf umeinander.

Auf einer Bühne also, die mal Backstage-Garderobe mit Garderobenständer, mal historischer Aufführungsort mit angedeutetem Gebäude in Form einer Treppe und einer Stoffleinwand mit Gebäudeumrissen ist, finden der Krieg und die Liebeleien statt. Anja Jungheinrich lässt den Darstellern, die die Bühne durch bewegliche Spiegelwände betreten, viel Platz zum Tanzen und Schauspielern. Und das in prächtigen Kostümen, aber auch mal nur in herrlich altmodischer Unterwäsche. Besonders gelungen ist das Outfit von Kate, die mit ihren knallroten Locken, dem roten Kleid und den derben braunen Stiefeln wie ein regelrechtes Teufelsweib aussieht.

Und so spielt sie auch. Nicole Rößler gibt wirklich alles. Sie kann die Diva spielen, sanft und liebreizend sein und dann zur Furie mutieren. Als sie ihren Ex-Gatten als „Drecksstück“ bezeichnet, kann man ihn nur bemitleiden. Und als er sie auffordert, ihn zu küssen, intoniert sie das „nein“ so schön, so voller Überzeugung, dass es zwangsläufig noch zur langen gesungenen Phrase ausgedehnt werden muss. Ulrich Allroggen als Fred Graham muss einiges erdulden. Geschlagen, getreten, verunglimpft wird er auf der Bühne, so dass sein Stück fast den Bach heruntergeht. Mit seiner festen Gesangsstimme hält er Lilli im Zaum, soweit es geht. Gero Wendorff als Lucentio, Lois Freund mit Hang zum Glücksspiel, kämpft mit zwei Konkurrenten um Lois Liebe, nicht verzweifelt, eher spielerisch-heiter. Und Lois, gespielt von Julia Klotz, lässt sich gern umgarnen, sie gibt die ein doppeltes Spiel treibende Verführerin absolut überzeugend. Der arme Harry Trevor als Baptista gibt den verzweifelten, nie aufgebenden Vater mit großer Leidenschaft, der seine Tochter Kate „unter die Haube“ bringen will. Alle weiteren Darsteller, besonders die beiden Ganoven, bringen Witz und Elan ins Geschehen, spritzige Dialoge und Einfälle folgen dicht an dicht.

Siegmund Weinmeister hat die Aufgabe, das flotte Geschehen musikalisch zu untermalen. Cole Porters Musik verbindet verschiedene amerikanische Unterhaltungsmusiken der 1930-er und 40-er Jahre wie den Jazz und den Swing mit dem amerikanischen Vaudeville und Einflüssen der europäischen Operette. Das Ganze wird durch die historisch angehauchte, konservative Musik des Stückes immer wieder aufgebrochen und vermischt sich, wenn die historische Instrumentierung von „Shakespeare-Stücken“ mit jazzigen Elementen vermengt wird. Weinmeister beherrscht beide Stile, er leitet sein Orchester schwungvoll zu den Höhepunkten wie Wunderbar, kann aber den barocken Tanz ebenso sanft und gemäßigt intonieren. Die Tänzer unter Leitung von Kinsun Chan bewegen sich elegant, aber sie swingen auch und lassen es in Probenatmosphäre und nur leicht bekleidet richtig krachen. Einzel- und Paartänze, aber auch das wilde, und dennoch geordnete Laufen über die Bühne beherrschen sie ganz hervorragend.

Die schauspielerischen, gesanglichen und tänzerischen Leistungen mit dieser beschwingten Musik werden vom Publikum honoriert, und es wird viel gelacht. Überraschend, dass es keine Bravo-Rufe für Nicole Rößler gibt, denn diese ist eindeutig der Star des Abends. Trotzdem, der lange Applaus zeigt die einhellige Begeisterung für Kiss me, Kate.

Agnes Beckmann

Fotos: Jörg Landsberg