Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

EUGEN ONEGIN
(Peter I. Tschaikowsky)
14. April 2013
(Premiere)

Staatsoper Hannover


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Drama auf hohem Niveau

Peter Iljisch Tschaikowsky entwickelte seine Oper Eugen Onegin auf Grundlage des gleichnamigen Versromans Alexander Puschkins und entschied sich somit gegen die italienische und französische Opernkonvention der Grand Opéra. Er verzichtete auf große Nummern und wählte stattdessen den Untertitel „Lyrische Szenen“. Im Unterschied zu anderen Opernmodellen seiner Zeit schrieb er statt Rezitativen und Arien Szenen als innere Monologe.

Tschaikowskys Intention war es, durch szenische Schlichtheit das Hauptaugenmerk auf die Psyche der Figuren zu lenken. Regisseur Ingo Kerkhof setzt diese Vorgabe wunderbar um und präsentiert mit dem Lebemann Eugen Onegin, der ihn liebenden Tatjana, ihrer durch Onegin fast verführten Schwester Olga und ihrem Verlobten und Freund Onegins Lenski vier Menschen, die so selten Blickkontakt haben, dass sie allein dadurch schon den Blick auf sich und ihr Inneres ziehen. Jeder lebt in seiner eigenen Welt: Die Gutsbesitzerwitwe Larina lebt zusammen mit ihrer sich in Sentimentalitäten verlierenden, romantischen Tochter Tatjana und der lebenslustigen Olga. Ihr Verlobter Lenski liebt sie so sehr, dass er sich sogar auf ein für ihn tödlich endendes Duell mit Onegin einlässt, da dieser seinem Mädchen zu nahe gekommen ist. Der Lebemann verschmäht die verliebte Tatjana, bereut seine Entscheidung aber Jahre später, als er sie – inzwischen verheiratet – wiedersieht. Er gesteht ihr seine Liebe, aber obwohl auch sie ihn wie damals begehrt, steht sie zu ihrer Ehe und der geschworenen Treue. Jeder Protagonist empfindet seinen Schmerz und seine Einsamkeit, was Bühnenbildnerin Anne Neuser perfekt umsetzt. Eine Wand im Hintergrund mit einem großen Durchgang und ab und zu ein paar Tische und Stühle, die zu einem Bankett einladen, sind neben der Hollywoodschaukel, in die sich die Figuren immer wieder alleine zurückziehen, alle Bühnenaccessoires.

Auch Stephan von Wedel hält sich mit pompösen Gewändern zurück, er lässt Onegin in einem Businessoutfit auftreten und zeigt eine in sehr edle Kleider gehüllte Festgesellschaft im dritten Akt, die sich im Hause des Fürsten Gremin, Tatjanas Gatten, versammelt hat.

In dieser Oper wird mehr als in vielen anderen das Hauptaugenmerk auf die einzelnen Personen und somit auf ihre schauspielerische und gesangliche Darbietung gerichtet. Sara Eterno als Tatjana spielt hervorragend, als sie Onegin in einem Brief ihre Liebe gesteht, und ihr leuchtender Sopran unterstreicht ihre Hingebung. Kalt erwidert der zu keiner Zeit Sympathie erweckende Onegin ihr, dass er sie liebe – allerdings eher wie ein Bruder. Der Asiate Adam Kim passt, wenn man die Vorstellung eines stattlichen Russen hat, im ersten Moment so gar nicht auf die Bühne. Aber nur im ersten Moment. Mit kräftigem Bariton besingt er im letzten Akt erst stolz, dann ob der Abweisung ungläubig flehend, sein (Liebes-)Pech. Sein Freund, der Dichter Lenski, der von Philipp Heo mit sensiblem Tenor gegeben wird, ist fast ein bisschen kindisch, als er sich völlig emotions- und eifersuchtsgeladen auf ein Duell einlässt. Nicht ganz klar ist die Rolle der eigentlich lebenslustigen Olga, dargestellt von Julie-Marie Sundal. Ruhelos und apathisch wirkend läuft sie auf der Bühne umher, sich ständig nervös mit den Händen im Gesicht berührend, als wolle sie nicht gesehen werden. Von purem Leben ist nichts zu sehen. Khatuna Mikaberidze als Larina, Almuth Herbst als Filipjewna und Shavleg Armasi als Fürst Gremin gehen in ihren Rollen auf und sind stimmlich eine Bereicherung für das gesamte Ensemble.

Durch die in der Partitur sehr frei notierten Tempi hat Dirigent Ivan Repušić alle Möglichkeiten, sich die emotionale Musik völlig zu eigen zu machen. Ohne ins schwelgerisch-Langsame abzugleiten, führt er sein Orchester besonders in den vielen Solopartien mühelos und klanglich schön durch dieses lange Stück. Auch den von Dan Ratiu einstudierten, sehr präsenten Chor begleitet er ohne Anstrengung durch das Werk.

Das Publikum zeigt sich besonders von der Musik angetan und spendet kräftigen Beifall. Auch die Darsteller werden reichlich mit Applaus belohnt, lediglich für das Regieteam gibt es vereinzelte Buhrufe.

Agnes Beckmann







Fotos: Jörg Landsberg