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Fakten zur Aufführung 

DON PASQUALE
(Gaetano Donizetti)
19. Januar 2013
(Premiere am 8. September 2012)

Theater am Aegi, Hannover


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Vom Lieben, Leiden und Lustigmachen

Franz Müntefering und Michelle Schumann, Silvio Berlusconi und Francesca Pascale, Roberto Blanco und Luzandra sind nur einige wenige beispielhafte Paare, die eines verbindet: Er ist bedeutend älter als sie, frei nach dem Motto: Verjüngst du mich, beschütz ich dich. Dass eine solche Liaison allerdings nur in den seltensten Fällen gut gehen kann und oftmals für Hohn und Spott sorgt, ist die Aussage von Gaetano Donizettis Komischer Oper Don Pasquale. Ein modernes Thema, das heute bei den meisten Menschen noch immer auf Unverständnis und Missfallen trifft. 

Don Pasquale, ein alter Junggeselle, beschließt, seinen Neffen Ernesto mit einer wohlhabenden Braut zu verheiraten. Der weigert sich allerdings, weil er die junge mittellose Witwe Norina liebt, woraufhin Don Pasquale seinen Neffen kurzerhand enterbt. Er beschließt, selbst zu heiraten und beauftragt Doktor Malatesta, eine geeignete Braut zu finden. Aus Mitleid mit dem unglücklichen Paar ersinnt der eine Intrige, die den alten Don Pasquale gehörig in Mitleidenschaft zieht. Norina gibt sich fortan als Malatestas unschuldige Schwester aus und macht, kaum ist der Ehevertrag unterschrieben, dem alten Schwerenöter das Leben zur Hölle.

Regisseur Axel Heil hat das Werk, das sich fast ausschließlich um jene vier Personen dreht, personell aufgestockt und dem Opernchor des Theaters für Niedersachsen (TfN) eine stetige Präsenz auf der Bühne verschafft. Die Chormitglieder unter Leitung von Achim Falkenhausen treten als Clowns auf, mit einer langen Vogelnase, einem spitzen Hut und groben weißen Kleidern. Heil ahmt so die Figur des Pulcinella nach, die Teil des süditalienischen und neapolitanischen Volkstheaters war. Der Regisseur will mit dem Einsatz der Maskierten das Genre der Komischen Oper und Spiel-Oper unterstreichen. Allerdings wirkt der Einsatz der Figuren eher unmotiviert, wie eine künstliche Aufpeppung des Opernstoffes. Die Figuren haben weder eine Handlung noch einen Auftrag zu vollbringen, größtenteils knien sie um die runde Bühne und dienen als Vorhangaufzieher. Mit gespielt großer Geste bedanken sie sich immer wieder für diese Nichtigkeit. Sicherlich gibt es auch Szenen, in denen die Präsenz berechtigt oder zumindest motiviert ist. Bei der Hochzeit fungieren sie als Gäste mit Luftballons und Konfetti in den Händen und bei Ernestos Beinahe-Fortgang aus der Stadt ziehen sie prozessionsartig mit ihm von dannen. Nichtsdestotrotz sind die Figuren eher verwirrungstiftend als der Handlung dienlich.

Rätselhaft eingesetzt wird auch die Drehbühne innerhalb der runden, auf der Hinterseite erhöhten Spielbühne – Philippe Mieschs Intention ist nicht begreifbar. Eine sich drehende Bühne kann der Veranschaulichung von inneren Wirren dienen, die der Protagonist durchlebt. Natürlich kann sie auch ganz simpel als Reisemetapher dienen. Hier allerdings ist der Einsatz schwerlich zu verstehen, es scheint, als solle das Stück durch äußere Elemente spannender gemacht werden, um das vermeintlich nach Effekten haschende Publikum nicht zu enttäuschen. Auch für die Kostüme ist Miesch verantwortlich. Hier bedient er die Vorstellungen, wie die reiche Witwe Norina, die ihren Ehemann allmählich um Verstand und Reichtum bringt, vorzüglich. Er lässt sie in einem so ausladenden Kleid auftreten, dass niemand mehr an sie herankommt und die Machtverhältnisse offensichtlich sind.

Schade, dass Regine Sturm die Rolle der Norina nicht noch ein wenig bissiger und aggressiver darstellt. Ihre Augen blitzen einige Male so gefährlich auf, dass eine Zuspitzung des Konflikts zwischen ihr und Don Pasquale wünschenswert gewesen wäre – auch im Gesang. Ihr an sich facettenreicher Sopran bleibt so etwas farblos. Die Rolle ihres Gatten Don Pasquale übernimmt Uwe Tobias Hieronimi. Er schafft es, seine Figur nicht der vollkommenen Lächerlichkeit preiszugeben, sondern ihr so viel Menschlichkeit einzuhauchen, dass man nach Norinas Ohrfeige Mitleid mit ihm hat. Daniel Jenz, der den Neffen Ernesto spielt, singt den jugendlich Verliebten mit schönem, leuchtenden Tenor. Natürlich bekommt er Norina schlussendlich: Alter und Jugend haben bei Donizetti keine Chance, miteinander glücklich zu werden. Die Spiele des Doktor Malatesta begreift Ernesto erst spät. Eigentlich sollte Roman Tsotsalas den Malatesta übernehmen. Aufgrund einer Kehlkopfentzündung übernahm er aber nur den schauspielerischen und Ji-Su Park den Gesangspart. Das klappt präzise und gut, nur der zu gleichförmige  Gesichtsausdruck von Tsotsalas verweist ab und an auf die sicherlich schwierige Trennung von Schauspiel und Gesang. Ji-Su Parks voller Bariton, der nur in den Sprechpartien etwas schwer verständlich ist, untermalt den schlauen, aber trotz Intrigenspiels nicht unsympathischen Doktor.

Leif Klinkhardt merkt man dem Spaß am Spielen in jeder einzelnen Note an. Mit Leichtigkeit und Präzision führt er sein Orchester auch durch die Teile, die das Tragische streifen und den Liebeskummer und die Verletztheit in den Vordergrund rücken. Im zweiten Akt beispielsweise stellt Donizetti Ernesto die Solo-Trompete zur Seite und, ach, wie einsam wirkt da der verletzte Junge.

Das Publikum des nicht ganz vollen Theater am Aegi bedankt sich herzlich bei Don Pasquale für seine schauspielerisch wunderbare Leistung, die anderen Darsteller ernten etwas weniger Applaus. Die Inszenierung lässt Fragen übrig, die an diesem Abend sicherlich den Heimweg des ein oder anderen begleiten.

Agnes  Beckmann

Fotos: Andreas Hartmann