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Fakten zur Aufführung 

DIDOS GEHEIMNIS
(Andreas N. Tarkmann)
3. September 2011
(Uraufführung)

Hannover,
Galerie Herrenhäuser Gärten


Points of Honor                      

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Mädchen zwischen Spiel und Ernst

Eine Oper für einen Mädchenchor zu schreiben, ist keine einfache Aufgabe, verlangt allein die ungewöhnliche Besetzung schon besondere Behandlung. Andreas N. Tarkmann, Komponist und Arrangeur, erhielt vom Mädchenchor Hannover den Auftrag, eine Oper zu schreiben. Die ist nun in engem Bezug auf Henry Purcells Dido und Aeneas entstanden. Das passt zum einen zur Geschichte des Mädchenchores, gab es vor ein paar Jahren genau am selben Ort eine Aufführung eben dieses Werkes; zum anderen passt gerade dieses Stück generell ins Millieu eines Mädchenchores, fand die erste Aufführung von Purcells Oper doch in einem Mädchenpensionat statt.

Tarkmann arbeitete zusammen mit dem Dramaturgen Eberhard Streul, der sich die Geschichte ausgedacht und das Libretto verfasst hat. Es geht um ein Mädchenpensionat, das auf Vorschlag seiner Leiterin an einem Theaterwettbewerb teilnehmen und eine Oper aufführen wird – eben Dido und Aeneas. Im Lauf der Proben und der Vorstellung merken die jungen Menschen nicht, dass sie selbst immer mehr zu den handelnden Figuren werden, die Geschichte der Oper zu ihrer eigenen wird. Es dreht sich dabei hauptsächlich um die Dreiecksgeschichte zwischen Klara, Daphne und Rene. Klara liebt Renè, den Sohn des Gärtners, der den Aeneas spielen wird. Daher beansprucht sie selbstverständlich, dass sie die Rolle der Dido als dessen Geliebte übernimmt. Doch es wird beschlossen,  dass Daphne die Rolle übernimmt. Im Spiel der Aufführung verlieben sich René und Daphne ineinander. Klara verschwört sich darauf mit zwei Freundinnen, sie locken Daphne in den Wald und binden sie an einem Baum fest. Die drei spielen nicht nur die Hexen aus Purcells Vorlage, sie leben diese Rollen eben – aus Spiel wird ernst. Jahre später kommt es zu einer Wiederbegegnung zwischen Klara, René und Daphne – das Ende bleibt offen, keiner weiß so recht, zu wem er gehört.

Andreas N. Tarkmann versteht sich selbst nicht als Neutöner. Er hat deshalb eine plastische, dramatische und sensibel auf die Vorgänge der Handlung eingehende Musik geschrieben. Klassische Formen der Oper wie Arien, Liebesduette oder Ensembles als Aktschlüsse haben da durchaus ihren Platz. Stilistisch bewegt er sich zwischen Anklängen an die französischen Impressionisten und Filmmusik, zwischen Zügen von Kurt Weill und Zitaten aus dem Original Purcells. 170 Mitglieder des Chores sind an der Aufführung beteiligt, angefangen bei den Kleinsten. Dass die musikalische Sprache dafür nicht zu kompliziert sein darf, versteht sich von selbst. Es ist nicht nur eine Oper, die von jungen Mädchen handelt – es ist vor allem eine Oper, die für junge Mädchen gemacht ist. Diesem Zweck entsprechend hat Tarkmann eine einleuchtende und eingängige, ganz auf die Erfordernisse der Aufführungsbedingungen zugeschnittene Musik geschaffen. Die bringen unter der Leitung von Gudrun Schröfel die Pianisten Nicholas Rimmer und Andrea Schnaus-Jantzen sowie Ellen Wegner an der Harfe und Stephan Meier am Schlagzeug souverän zum Klingen.   

Die Solisten sind überwiegend mit Studentinnen der Hochschule in Hannover besetzt, die teilweise aus dem Mädchenchor hervorgegangen sind. Neele Kramer ist Klara, Lena Kutzner und Francisca Prudencio ihre Freundinnen Linda und Anna, Anna Bineta Diouf die Internatsdirektorin. Sie demonstrieren eindrucksvoll, welches sängerische Potenzial die hiesige Hochschule immer wieder hervorbringt. Dazu kamen Meike Leluschko als Daphne und – als Hahn im Korb – der Bariton Stefan Zenkl, bis 2010 Ensemblemitglied der Staatsoper Hannover, als René. Vor allem ist aber der Chor Protagonist dieses Stückes. Gudrun Schröfel hat den Mädchenchor zu einem wahrlich beeindruckenden Klangkörper geformt. Die besondere Herausforderung, das Singen mit Spiel zu verbinden, scheint das noch zu beflügeln.

Das Galeriegebäude, ein langer Schlauch, bietet in seiner barocken Üppigkeit zwar einen würdigen Rahmen, ist als Raum aber schwierig bespielbar und akustisch eher problematisch. Umso geschickter ist es, den Bühnenaufbau in der Mitte des Saales zu platzieren und die Zuschauer von beiden Seiten herumzusetzen. Ein längliches Podest, darauf zwei bewegliche, raumteilende Elemente, viel mehr ist technisch nicht möglich, aber viel mehr braucht es auch nicht für Milos Zilic, den Chor und die Solisten zu einer zwar einfachen, aber klaren und die Geschichte gut transportierenden szenischen Lösung zu finden. Der ehemalige Tänzer der Staatsoper Hannover versteht es vor allem, die Auf- und Abgänge des Chores in fließende Bewegungen umzusetzen und so die großen Massen sicher und sinnfällig zu führen. Die Bühnengestaltung von Pablo Mendizabal, die Kostüme von Silke Bornkamp und die Beleuchtung von Elana Siberski unterstützten die stimmungsvolle optische Wirkung in diesem für eine Opernaufführung ungewöhnlichen Ort.

Die Begeisterung am Ende ist ein verdienter Erfolg. Und es bleibt dem Chor, aber auch dem Stück, unbedingt zu wünschen, dass sich noch Gelegenheiten zu weiteren Aufführungen als nur an diesem einen Wochenende bieten werden.

Christian Schütte


  Fotos: Michael Plüner