Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

CAVALLERIA RUSTICANA
(Pietro Mascagni)
BAJAZZO
(Ruggero Leoncavallo)
12. Januar 2014
(Premiere)

Staatsoper Hannover


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Tödliche Leidenschaft

Oft wurde versucht, die inzwischen seit über hundert Jahren andauernde „Stück-Ehe“ von Mascagnis Cavalleria rusticana und Leoncavallos Bajazzo aufzubrechen. Aber irgendwie gehören die beiden Eifersuchtsdramen mit tödlichem Ausgang einfach zusammen und begeistern ein breites Opernpublikum durch die leidenschaftlichen Gefühlsausbrüche und diese wunderbaren Melodien. Auch Philipp Himmelmann bringt die Stücke zusammen zur Aufführung.

Im Mittelpunkt der ersten Oper steht Santuzza, die er nicht nur als passive betrogene Verlobte, sondern sehr wohl als bewusst handelnde starke Persönlichkeit zeigt. Sie weiß, was passiert, wenn sie Alfio von Turiddus Treuebruch erzählt. So kniet sie auch im ersten Akt mit einem Messer bewaffnet über dem toten Körper Lolas und lacht hysterisch – eine Rückblende, wie sich schnell herausstellt. Santuzza folgt dem Geschehen bis in den Bajazzo hinein, hier allerdings als passive Zuschauerin des Geschehens. Eine schöne Idee, die die Zusammengehörigkeit der beiden Opern unterstreicht und Santuzzas Rolle noch tragischer macht. Im Bajazzo erlebt sie das Eifersuchtsdrama in zweierlei Hinsicht noch einmal.

Johannes Leiacker folgt der Intention Himmelmanns, beide Werke in unterschiedlichen Raumsprachen zu zeigen und trotzdem ein verbindendes Element beizubehalten: So bleibt die Piazza mit ihren wenigen Tischen und Stühlen, an die Mamma Lucia den Wein bringt, gleich. Auch die Hintergrundkulisse, Steinsäulen mit mehreren Toren, wird nicht verändert. Allerdings ist das Bühnenbild von Cavalleria rusticana gewollt weniger realistisch als das des Bajazzo, das mit der Bühne auf der Bühne fast naturalistisch wirkt.

Bei den Kostümen hat sich Gesine Völlm einen Trauerflor für die Cavalleria-rusticana-Schauspieler überlegt. Nur Lola sticht mit ihren roten Schuhen und den rötlichen Haaren aus der Menge hervor. Die roten Schuhe werden im Bajazzo auch von Nedda getragen. Ansonsten sind die Kostüme im Bajazzo bunt, Nedda selbst trägt ein zuckerstangenfarbiges Kleid. Eine herrliche Idee ist der sich bewegende Tisch: Eine Tänzerin trägt auf ihrem Rücken einen dünnen Reifen, über den sich eine Tischdecke spannt, so dass sie im Knien einen Picknicktisch mimen kann.

Aus dem Sängerensemble sticht Khatuna Mikaberidze mit einer absolut intensiv gesungenen Santuzza hervor. Ihr Mezzosopran ist energisch und voller Glut. Erst präsentiert sie sich als hitzige Eifersüchtige, um wenig später kraftlos zusammenzusinken. Mit ihrer voluminösen Stimme beherrscht und bestimmt sie das Geschehen und Turiddus Untergang. Ricardo Tamura ist nicht nur der herzlose Turiddu, der seine Verlobte mit Lola betrügt. Zu Beginn des Geschehens behandelt er Santuzza liebevoll, vergisst sie aber ganz schnell, als Lola seine Aufmerksamkeit zu erheischen versucht. Dabei kommt Tamura seine attraktive Tenorstimme zugute. Seine Mutter Lucia, die von Diane Pilcher gegeben wird, hat es schwer, den wahren Turiddu zu erkennen. Mit durchdringendem Mezzo stößt sie Santuzza immer wieder von sich, als diese ihr vom Betrug erzählt. Wunderbar ist die dramatisch-aufbrausende Tonsprache von Stefan Adam, der gleich in mehreren Rollen glänzt: So ist er einmal als Alfio zu sehen, zudem als Sänger des Prologs und im Bajazzo in der Rolle des Tonio beziehungsweise Taddeo. Besonders das erbarmungslose Töten seiner Frau Lola und sein Zorn über die verschmähte Liebe Neddas im Bajazzo sind prägnante Szenen. Mit gut fokussiertem Mezzo bringt Hanna Larissa Naujoks als Lola Turiddu um den Verstand. Die Sängerin versteht es, sich kokett zu geben und ihre Nebenbuhlerin auszustechen.

Im Bajazzo zeigt sich Robert Künzli als wütender Ehemann Canio und als Bajazzo selbst. Der Betrogene, der körperlich gewaltsam gegen seine Frau vorgeht, verfügt über einen modulationsfähigen, schön artikulierten Tenor. Nedda leidet unter ihm, sie liebt ihn nicht und wünscht sich ein anderes Leben. In der Partie zeigt Sara Eterno mit viel Intensität und einem farbenreichen, klaren Sopran mit glänzenden Höhen ihr ganzes singschauspielerisches Können. Ihr Geliebter Silvio, den Francis Bouyer darstellt, gibt sich als stürmischer Liebhaber und unterstreicht seine Partie mit virilem Bariton. Beppo schließlich wird von Edward Mout gegeben, der mit schön aufblühendem Tenor Canio immer versucht davon abzuhalten, jemandem ein Leid anzutun.

Karen Kamensek ist in Höchstform. Die Generalmusikdirektorin leitet das Staatsorchester Hannover mit so viel Gefühl, so viel Expressivität, Eindringlichkeit und Energie durch die Partie – besonders der ersten Oper – dass aus der theatralen eine emotionale Realität erwächst. Die Musik leuchtet über das Geschehen hinaus, die Leidenschaft, mit der Kamensek dirigiert, durchflutet das Publikum.

Dan Ratiu trägt mit dem Chor und Extrachor der Staatsoper zur bejubelten Premiere bei. Besonders die Osterprozession aus Cavalleria rusticana, in der die Gemeinde biblische Liturgien singt und den wie aus dem Nichts kommenden Stimmen antwortet, sorgen sicherlich bei einigen Zuschauern für Gänsehaut.

Eine fantastische Inszenierung mit Musikern und Darstellern in Topform sorgt für minutenlange Beifallstürme, besonders umjubelt wird Khatuna Mikaberidze. Der Premierenauftakt ins neue Jahr ist der Staatsoper Hannover wirklich gelungen!

Agnes Beckmann



Fotos: Jörg Landsberg